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Hitzeschutz dank faltiger Fassaden

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23 Apr, 2024

This post was originally published on Good Impact

Ihre dicke, rissige Haut schützt Elefanten vor Überhitzung. Ein Ökologe aus Singapur will das Prinzip auf Häuser übertragen.

Unser Drang nach Abkühlung erhitzt die Erde schneller. Oder wie Anuj Jain sagt: „Cooling the world is warming up the planet.“ Schon heute entfallen mehr als zehn Prozent des globalen Stromverbrauchs auf den Betrieb von Klimaanlagen und Ventilatoren zur Raumkühlung.

Anuj Jain wohnt in Singapur. Das Klima dort ist feucht-heiß und in der Innenstadt zeigt sich der sogenannte Hitzeinsel-Effekt wie in kaum einer anderen: Versiegelte Flächen und Gebäude speichern die Hitze des Tages; hinzu kommt die Abwärme von Autos, Klimaanlagen & Co. Auf der Suche nach Lösungen gründete Jain 2017 das Beratungsunternehmen BioSEA. Zusammen mit Architekt:innen, Stadtplaner:innen, Forschenden und Gemeinden will er die bebaute Umgebung grüner machen. Inspiration holt er sich im Tierreich. Wie sich einige Überlebensstrategien aus der Natur auf die Architektur übertragen lassen, hat sein Team 2023 im Bericht „Biomimicry for Tropical Building Skins“ festgehalten. Teil davon ist der Elefant.

Elefanten schwitzen nicht

Die Dickhäuter leben in (sub)tropischen Klimazonen. In Afrika erheben sich ihre grauen Leiber wie staubtrockene Felsen aus der flachen Savanne. Egal wie heiß die Sonne vom Himmel starrt, ein Elefant schwitzt nicht. Sein Geheimnis: Falten. Anstatt tote Hautzellen zu verlieren, lagern sie sich auf der lebendigen Haut ab. Die Schicht wird Jahr für Jahr dicker, bis sie durch die Belastung beim Biegen Risse bekommt. Es entstehen große Furchen und Beulen, die die Haut beschatten und dafür sorgen, dass mehr Wasser aufgefangen wird, bis zu zehnmal mehr als auf einer flachen Oberfläche. Sickert die Feuchtigkeit nicht durch die Risse in den Körper, verdunstet sie und kühlt dabei die Umgebungsluft.

Beulen als Klimaanlage

Jains Team ist dabei, eine Art Elefantenhaut für Häuser zu entwickeln. Sie soll die zur Sonne gewandten Fassaden isolieren. Erste Prototypen sehen aus wie Fliesen mit kleinen Beulen und sind 10 bis 20 Zentimeter groß. Durch die holprige Struktur entsteht mehr Oberfläche, die die Hitze der Sonne vom Gebäudeinneren fernhalten kann. Genau wie beim Elefanten sammelt sich in den Rissen Wasser und verdunstet, was einen kühlenden Effekt hat. Entscheidender aber ist die Selbstbeschattung, so Anuj Jain. „Die Unebenheiten sorgen für kühlere Stellen auf der Oberfläche.“ Dadurch verändert sich die Luftbewegung und weniger Wärme strömt über die Rückseite der Fliesen, hinein in den Wohnraum. „Das senkt den Stromverbrauch für Klimaanlagen um 20 Prozent“, schätzt er.

Prototypen aus Myzel (Pilzfäden) kleben schon an einem Gebäude der Technischen Universität Nanyang in Singapur. Ein anderer Feldversuch startet dieses Jahr in der trocken-heißen Region Rajasthan in Indien – gleiches Material, anderes Klima. Im Labor testet das Team Alternativen wie Lehm, Zement und einen Mix aus Zement und Pflanzenkohle. Denn: „Unser Wunschmaterial, Myzel aus Abfallströmen, hält den Witterungsbedingungen vermutlich nicht so gut stand wie etwa Zement.“ Um eine nachhaltige Lösung für die Gebäudekühlung zu sein, müssen die Fliesen aber so ressourcenschonend wie möglich hergestellt und angeklebt werden. Enthalten die Fliesen energieintensive Materialien wie Zement und werden sie nicht mit biobasierten Klebstoffen befestigt, hebt das die prognostizierten Energieeinsparungen womöglich auf. Und erschwert das Recycling am Lebensende.

Innovationen in dem Bereich sind wichtig, aber ihre Markteinführung braucht oft viel Zeit, sagt Azra Korjenic, die den Forschungsbereich Ökologische Bautechnologien an der Technischen Universität Wien leitet. „Daher müssen wir mit dem Vorhandenen arbeiten.“ Korjenic beschäftigt sich mit Methoden zur natürlichen, passiven Gebäudekühlung, wie Verschattungssystemen, Fassadenbegrünung oder hitzereflektierenden Fenstern und Wandfarben. Je heißer der Ort und je schlechter das Gebäude gedämmt ist, desto effektiver sind sie. Eine Studie aus Singapur zeigt: Begrünte Fassaden können den Energiebedarf um 20 bis 30 Prozent reduzieren und die Innentemperatur um zwei bis vier Grad senken. Allerdings sind Installation und Wartung noch etwas kostspielig, so Korjenic. „Am effektivsten ist, die Hitze gar nicht erst hereinzulassen, also verglaste Flächen zu verschatten, weil hier die meiste Wärme eindringt.“

Die Expertin rät außerdem, mehrere Techniken zu kombinieren: Markisen oder Rollläden, Nachtlüftung und reflektierende Farben. Auch Anuj Jain versteht seine Elefanten-Fliesen als Ergänzung. Auf der Myzel-Version könnten Moose oder andere Pflanzen wachsen, die zusätzlich isolieren, aber nicht nur: Sie reinigen die Luft, bieten Tieren Schutz und verdunsten Wasser. Bis 2030 will Singapur daher 80 Prozent seiner Gebäude begrünen.

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