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Respektiert die Natur
Olga Ievleva, 25, ist Komi und engagiert sich im Arctic Youth Network
„Ich liebe die arktische Region und die vielen unterschiedlichen Menschen, die dort leben. Es gibt viele indigene Gruppen und alle haben eines gemeinsam: tiefen Respekt vor der Natur. Nach meinem Master 2023 habe ich mich beim Arctic Youth Network, einer Non-Profit-Organisation junger Menschen der Region, für den Vorstand beworben. Im Dezember ging es los, ehrenamtlich. Seit Mai 2024 bin ich Vorsitzende.
Ich möchte jungen Leuten zeigen: Egal wie klein und abgelegen ihr Heimatort in der Arktis auch ist – es gibt Möglichkeiten, etwas zu bewegen. Bei unserem letzten Meeting haben wir diskutiert, wie künftige Umweltjurist:innen diverse Perspektiven in ihrer Ausbildung ansprechen und auch institutionelle Veränderungen anstoßen können. Damit zum Beispiel der Schutz indigener Rechte oder Territorien häufiger Thema im Studium wird. Durch die Zusammenarbeit mit einem Alumni-Netzwerk haben wir Kontakte zu Universitäten und können Neuerungen anstoßen.
Ich bin in dem Örtchen Noshul’ im Süden der russischen Republik Komi aufgewachsen. Wir gehören zum finno-ugrischen Kulturkreis und sind mit Menschen aus Finnland, Ungarn und Estland verwandt. Meine Großeltern sprachen mit mir auf Komi, anders als meine Eltern. Als Teil der Russischen Förderation war es ihnen wichtig, dass ich akzentfreies Russisch beherrsche. Ich bin mit Kühen, Hühnern und Gänsen aufgewachsen, habe mit meinem Vater Fische im Fluss hinter unserem Haus gefangen. Wir konnten uns gut selbst versorgen.
Zur achten Klasse bin ich in die Hauptstadt der Republik Komi gezogen, nach Syktyvkar, 200 Kilometer von zu Hause entfernt – ohne meine Eltern. Das war schon schwierig, aber für meine Identitätssuche sehr wichtig. Dort habe ich viel über die Komi-Kultur gelernt, da das Teil des Lehrplans war. Wir sprachen über ihre Mythologie, lernten Weben, wie es bei den Komi traditionell üblich ist. In der Schule habe ich erst so richtig realisiert, dass ich nicht nur russische Staatsbürgerin bin, sondern auch Vertreterin einer indigenen Gruppe.
Im letzten Schuljahr habe ich mir ein Drohnen-Video von der Arktis angeschaut, durch die ein Eisbrecher fuhr – ich war schockverliebt. Ich wusste, da möchte ich hin und das Eis mit eigenen Augen sehen. Auch deshalb habe ich mich in meinem Master International Relations für den Schwerpunkt Arktis entschieden.
In meiner Doktorarbeit beschäftige ich mich jetzt mit den Jagd-Regularien der kanadischen Regierung, die sie den Inuit in Nunavut auferlegen. Die Inuit finden die Jagdquote unverhältnismäßig niedrig, und ich möchte das untersuchen. Es ist wichtig die Ernährungssicherheit der Menschen dort zu verbessern. Weil vieles importiert werden muss, sind Lebensmittel dort sehr teuer. Die kanadische Regierung will die Tiere schützen, die Inuit kämpfen mit Nahrungsknappheit – ich würde gerne vermitteln und mich für einen ausgewogenen Schutz der indigenen Rechte starkmachen.“
Plötzlich im Mittelpunkt
Embla Elde, 23, organisiert Jugendkonferenzen in der Arktis
Es ist einer dieser Tage, an denen die Arktis nicht auf freundlich tut. Januar 2022. Vor den Bürofenstern ist es finster, dichte Wolken hängen über Tromsø, die Lichter am Hafen schimmern im Fjord. Doch Embla Elde friert nicht – erst vor ein paar Stunden ist sie in Oslo in den Flieger gestiegen, Schneesturm, Verspätung, in Tromsø direkt ins Taxi, weiter zum Treffen mit der norwegischen Ex-Diplomatin und Unternehmerin Goril Johansen – nun steht sie noch in Daunenjacke eingepackt, Koffer in der Hand, vor einem langen Tisch mit zwanzig Mitarbeiter:innen von Universitäten, lokalen Geschäftsleuten, Politiker:innen. „Was können wir für dich tun?“, fragen sie. „Mein Herz rutschte in die Hose“, erzählt Elde. „Plötzlich stand ich im Mittelpunkt – bei der Vorbereitung der Arktis-Jugendkonferenz.“
Elde wächst in Hokksund auf, einer kleinen Stadt im Südosten Norwegens. „Da gibt es praktisch nichts, außer Landwirtschaft und Industrie. Die jungen Leute ziehen alle weg“, sagt Elde, ihre blonden Haare kräuseln sich über ihre gelbe Bluse. Gerade lebt sie in Berlin. „Ich war sehr ehrgeizig als Kind, mit vier wollte ich Gehirnchirurgin werden, mit zwölf Diplomatin.“ Klar ist: irgendwas, wo man etwas verändern kann. Elde macht ihren Bachelor in Internationalen Beziehungen an der Universität Oslo, danach den Master in International Affairs an der Hertie School in Berlin. Schon während der Schule engagiert sie sich beim European Youth Parliament (EYP), einem Netzwerk, in dem junge Menschen über Politik diskutieren. Dort trifft sie Henning Undheim, die beiden werden Freunde – und haben eine Idee: Warum nicht ein Projekt für junge Menschen zur Arktis starten? „Viele haben so gut wie keine Berührungspunkte mit der Region, das wollten wir ändern“, sagt Elde. Dafür brauchen sie Geld. Elde und Undheim schreiben Stiftungen an, die Gemeinde in Tromsø, das norwegische Außenministerium. „Am Anfang nahm man uns oft nicht ernst.“ Zu Meetings nimmt sie eine einseitige Projektbeschreibung für Investor:innen mit.
März 2023. 350 junge Menschen aus 32 Ländern kommen in Tromsø zusammen, von Armenien bis Aserbaidschan. „Wir haben einen ganzen Campingplatz gemietet“, sagt Elde. Die Teilnehmer:innen schlafen in Hütten, nachts flackern über ihren Köpfen die Nordlichter. Abends gibt es eine Sámi Culture Night, Talentshows, Konzerte. „Wir wollten keine Schein-Inklusion Indigener. Wir haben die Bühne gestellt – über den Inhalt entschieden sie“, so Elde. Was jungen Indigenen wichtig ist? Dass die Arktis ein bewohnbarer Ort bleibt. Sie endlich gehört werden. „Ohne die Leute vor Ort in Tromsø hätten wir das nie geschafft. Ein norwegischer Fischerverband spendierte uns 70 Kilogramm Kabeljau.“
Die Veranstaltung schlägt Wellen: Wenig später organisiert WWF Schweden das Projekt Youth Together 4 Arctic Futures – und fragt Elde und Undheim, ob sie im Jugendausschuss und beim Planen der jährlichen Arktiskonferenz aushelfen möchten. „Unser Ansatz gefiel ihnen“, sagt Elde.
Doch was bringt sowas – außer Symbolkraft? „Klar lässt ein Trump sich nicht von ein paar jungen Menschen sagen: Keine Invasion Grönlands. Doch wer eine starke Jugendarbeit hat, indigene Völker einbezieht und konstruktiv den Klimawandel zum Thema macht, schafft eine gute Grundlage für Gespräche – auch auf hoher Ebene.“
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