Suchen

„The Good, the Bad and the Ugly“: Wie soziale Medien das Leben indigener Jugendlicher prägen

We are an online community created around a smart and easy to access information hub which is focused on providing proven global and local insights about sustainability

07 Juli, 2025

This post was originally published on Reset

Soziale Medien sind in unserer immer vernetzteren Welt zu einer unbestreitbaren Macht geworden. Nahezu jeder Aspekt unserer sozialen Welt hat sich durch ihre Auswirkungen verändert, zum Guten wie zum Schlechten. Aber für Gemeinschaften, die am Rande der Digitalisierung stehen, sind die Auswirkungen deutlich komplizierter.

Obwohl sie etwa sechs Prozent der Weltbevölkerung ausmachen und mehr als jede andere Gruppe zur Kultur und zum Umweltschutz beitragen, werden indigene Völker übersehen. Sie werden missverstanden und in vielen Fällen aktiv von Regierungen und der Mehrheitsbevölkerung bekämpft. Viele von ihnen leben in extremer Armut und müssen regelmäßig mit der Verweigerung grundlegender politischer und sozialer Rechte kämpfen.

Doch genau wie im Rest der Welt sind soziale Medien und digitale Technologien zu einem festen Bestandteil ihres Lebens geworden. So nutzen beispielsweise fast 90 Prozent der indigenen Garo-Bauern in Indien ihr Smartphone für die Arbeit. Und auch hier sind die Ergebnisse der Abhängigkeit vom Internet, milde ausgedrückt, „gemischt“.

Viele Menschen – sowohl innerhalb als auch außerhalb indigener Bevölkerungsgruppen – befürchten, dass sich die traditionellen Lebensweisen seit dem Aufkommen der Smartphones verändert haben. Und das, obwohl sie eine Vielzahl neuer Erwerbsmöglichkeiten bieten. Aber warum sollten indigene Völker nicht von den „neuen Dienstleistungen, der Umstellung der Arbeitskräfte und geschäftlichen Innovationen“ profitieren, die das Internet und die sozialen Medien mit sich bringen?

Die Gemeinden der Chittagong Hill Tracts

Eine aktuelle dreimonatige Studie untersucht die Herausforderungen, mit denen junge indigene Nutzer sozialer Medien in den Chittagong Hill Tracts (CHT) in Bangladesch konfrontiert sind. In den CHT leben 11 verschiedene indigene Gemeinschaften, die unter dem Namen Jumma-Volk bekannt sind. Die CHT verfügen über eine reiche Kultur, die sich weitgehend von der allgemeinen bengalischen Bevölkerung unterscheidet.

Doch die Regierung von Bangladesch betrachtet die Chittagong Hill Tracts seit langem als leeres Land, in das sie arme bengalische Siedler umsiedeln kann. Ohne dabei Rücksicht auf die Jumma-Bewohner in dem Gebiet zu nehmen. Die Vertreibung ist ein großes Problem in dieser Region. Und der bangladeschischen Regierung werden auch Mord, Folter, Vergewaltigung und das Niederbrennen von Dörfern vorgeworfen, was seit der Unabhängigkeit des Landes im Jahr 1971 als Völkermord kategorisiert wird.


Jumma people, CHT, Bangladesh



Eine Studie aus dem Jahr 2010 ergab, dass das Durchschnittseinkommen in der Region 40 Prozent unter dem nationalen Durchschnitt liegt, und das in einem Land, das ohnehin zu den ärmsten der Welt gehört.

Unter dieser starken Diskriminierung haben die Jumma soziale Medien in ihren Gemeinschaften dafür genutzt, um Kontakte zu knüpfen und Solidarität aufzubauen. Sie nutzen die sozialen Kanäle, um ihre politische Stimme angesichts wichtiger nationaler Tage wie dem Internationalen Tag der indigenen Völker zu stärken. Insbesondere Facebook wird zudem dafür verwendet, um ihre bedrohte indigene Kultur zu bewahren. Sie laden traditionelle Lieder hoch und feiern Feste wie das Marma-Wasserfest. Die sozialen Medien spielen auch eine große Rolle, wenn es darum geht, Ungerechtigkeiten aufzuzeigen. Das jüngste virale Wiederaufleben des Interesses an Kalpana Chakma, einer vermissten indigenen Aktivistin, deren Geschichte während der Quotenreformbewegung in Bangladesch bekannt wurde, ist ein Beleg dafür.

Alte Wunden wieder aufreißen

Diese neuen Möglichkeiten sind allerdings mit einigen Kosten verbunden. Die gleichen Plattformen, die indigene Gemeinschaften stärken, setzen sie auch großen Problemen aus. Beiträge über traditionelle Kleidung oder Feste werden von bengalischen Nutzer:innen oft mit Spott oder moralischen Urteilen empfangen. Junge Nutzer:innen werden zudem innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften über soziale Medien kritisiert, wenn sie Elemente der bengalischen Kultur übernehmen, wie etwa das Tragen von Sarees. Fälle von Tourist:innen und Influencer:innen, die in den CHT auftauchen und sich um Aufnahmen der indigenen Bevölkerung drängeln, ohne sie vorher um Erlaubnis zu fragen, verschärfen diese Missverständnisse zudem.

Es handelt sich dabei nicht um abstrakte Probleme, sondern um „gelebte Schwachstellen“, die in der Geschichte von Ausgrenzung, Kolonialisierung und staatlicher Vernachlässigung wurzeln, so eine Studie. Videos, die das intime Alltagsleben der indigenen Völker zeigen, wurden häufiger mit spöttischen oder aufrührerischen Untertiteln versehen, um das Engagement zu steigern. Das ist natürlich eine grobe Verletzung der Privatsphäre, die schwer zu überwachen und noch schwerer zu kontrollieren ist.


Street Scene - Ruma Bazar - Chittagong Hill Tracts - Bangladesh



Ruma Bazar ist ein Dorf im Bezirk Bandarban in den Chittagong Hill Tracts in Bangladesch.

Fake news, misrepresentations, and widespread misrepresentation of Jumma communities are spreading like wildfire on Bangladesh’s social media. In recent years, Bangladeshi media have reported numerous violent incidents in the CHT, many of which stemmed from social media posts. Human-computer interaction (HCI) research shows that these marginalized groups face „regular and systematic discrimination and cyberbullying.“ Despite the increasing reliance on social media platforms for communication and daily life in the CHT, the impact of social media on indigenous communities as a whole remains largely unexplored.

Die Chancen der sozialen Medien nutzen und ihre Risiken abmildern

Forscher der BRAC University, der Bowie State University und der United International University, die für die Studie in die CHT reisten, um Interviews mit 30 Teilnehmern zu führen, stellten fest, dass soziale Medien in diesen Gemeinschaften eine „doppelte Rolle“ spielen. Sie sind zwar ein wichtiges Instrument für die Bewahrung der Kultur und die Interessenvertretung in einem politisch feindseligen Umfeld, doch birgt ihre Nutzung auch enorme Risiken, die sorgfältig abgemildert werden müssen.

nachhaltige Digitalisierung

Wie sieht eine grüne digitale Zukunft aus?

Electronic waste, CO2 emissions from AI, water consumption in data centers – currently, unbridled digitalization seems incompatible with a healthy planet. But there are many solutions for ecological and fair digitalization – we’ve researched them:

Die Teilnehmenden sprachen auch von Selbstzensur bei politischen Themen aus Angst vor Entführung oder Gewalt. Fehlinformationen im Mordfall Raozan zum Beispiel stellten indigene Völker als kannibalisch dar. Aber soziale Medien spiegeln nicht nur Offline-Diskriminierung wider – sie verstärken und verändern sie.

Dieser Schaden hört nicht erst auf, wenn ein Meme seine Runde gemacht hat. Er breitet sich aus und beeinträchtigt die Berufsaussichten, das Leben auf dem Campus und die persönliche Sicherheit. Indigene Studierende wurden in städtischen Gebieten, etwa auf Universitätsgeländen und in öffentlichen Verkehrsmitteln, eingeschüchtert und sogar angegriffen.

Empfehlungen für eine gerechte digitale Zukunft

Was ist also das ideale Ergebnis? Natürlich haben indigene Völker das gleiche Recht auf die Nutzung sozialer Medien wie der Rest der Bevölkerung. Aber wie kann man sie schützen und, noch besser, unterstützen und befähigen? Die Studie enthält mehrere wichtige Empfehlungen. Erstens sollten mehrschichtige Datenschutzeinstellungen es indigenen Nutzenden ermöglichen, Beiträge für verschiedene Zielgruppen wie Familie, Gleichaltrige oder Außenstehende zu kuratieren.

Es wird auch vorgeschlagen, dass digitale „Heilungszirkel“ nach dem Vorbild indigener Praktiken Räume für Reflexion, Gemeinschaftsbildung und Unterstützung nach Vorfällen von Online-Missbrauch bieten könnten. Idealerweise würden diese von respektierten Ältesten geleitet.

Eine weitere wichtige Anregung waren Investitionen in die Moderation von Inhalten in Minderheitensprachen. Das ist ein bekanntes Versäumnis der meisten Plattformen und wurde in mehreren neueren Studien kritisiert. So verstärken unmoderierte Inhalte Ungleichheiten, die fortbestehen, wenn der digitale Diskurs in sogenannten „ressourcenarmen“ Sprachen nicht überwacht und geschützt wird.

Lieber dezentral als „Datenkrake“: Alternativen zu Instagram, X und Co.

Es ist erstaunlcih einfach, sich von den „Big Playern“ der digitalen Welt zu distanzieren. Schließ Dein Konto, fordere zur Löschung Deiner Daten auf und nutze eine dezentrale Alternative aus dem Fediverse. Willkommen in einer besseren, gerechten und gesünderen Online-Welt!

Schließlich schlägt die Studie vor, dass der Erstellung von Inhalten durch die Gemeinschaft Vorrang eingeräumt werden sollte. Der breiteren Gemeinschaft zu helfen, die Menschen in den CHT durch digitale Erzählprojekte und Kampagnen kennen und verstehen zu lernen, könnte tatsächlich dazu beitragen, die Lücke der Missverständnisse und Vorurteile zu schließen.

Die Studie kam zu dem Schluss, dass die indigenen Jugendlichen der CHT keine passiven Nutzer:innen sind, sondern neue digitale Welten erschaffen. Die sozialen Medien ermöglichen es ihnen – und höchstwahrscheinlich auch anderen jungen indigenen Gemeinschaften -, sich mit ihrer Kultur zu verbinden, ihre Identität zu verteidigen und sich gegen die Auslöschung zu wehren. Aber ihre Arbeit findet auf unsicherem Terrain statt.

Wenn wir ein gerechtes Internet wollen, muss es gemeinsam mit denjenigen geschaffen werden, die sich am Rande des Internets befinden. Oder in den Worten eines Teilnehmers: „Jedes Mal, wenn wir schweigen, verlieren wir einen Teil unserer Geschichte. Soziale Medien lassen uns zu Wort kommen. Aber wir brauchen einen Raum, in dem wir sicher sprechen können“.

dbu-logo

This article is part of the dossier “ Digital and Green – Solutions for Sustainable Digitalization ,“ in which we present solutions for ecological and fair digitalization. We thank the German Federal Environmental Foundation (DBU) for funding this project!

Don’t want to miss any articles on this topic? Subscribe to our newsletter or RSS feed and follow us on Mastodon , Bluesky , or LinkedIn!

The post „The Good, the Bad and the Ugly“: Wie soziale Medien das Leben indigener Jugendlicher prägen appeared first on Digital for Good | RESET.ORG.

Pass over the stars to rate this post. Your opinion is always welcome.
[Total: 0 Average: 0]

Das könnte Sie auch interessieren…

0 Kommentare