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Blätter im Wind
Die grüne Windkraft hat ein Müllproblem. Oder? Tatsächlich lassen sich bereits bis zu 95 Prozent eines Windrads recyceln, so der Energiekonzern Ørsted. Konkurrent Nordex spricht von 85 bis 95 Prozent. Denn die Türme bestehen hauptsächlich aus Stahl, der sich effizient wiederverwerten lässt. Der Knackpunkt sind die Rotorblätter, die aus schwer trennbaren Verbundwerkstoffen bestehen:
Glas- oder Kohlefasern, die mit Harz zusammengehalten werden. Momentan ist es noch billiger, sie beispielsweise in der Zementindustrie als Brennstoff einzusetzen. An Lösungen arbeitet etwa Siemens Gamesa. Schon 2021 installierte der Windradhersteller die ersten Exemplare mit 100 Prozent recycelbaren Rotorblättern. Seine „RecyclableBlades“ enthalten einen anderen Typ Harz, der sich durch Hitze und Säure leichter trennen lässt. Die Materialien lassen sich anschließend in der Automobilindustrie oder auch für Laptophüllen weiterverwerten.
Das hessische Start-up Voodin Blade Technology baut seine Rotorblätter direkt aus einem biologischen Material: Holz, genauer, Furnierschichtholz aus nachhaltig bewirtschafteten Fichtenwäldern in Finnland. Die ersten, 2024 installierten Prototypen sind 19,3 Meter lang und damit deutlich kürzer als die gängigen, rund 70 Meter langen Modelle großer Windenergieanlagen. Holz habe „leider eine begrenzte Beanspruchbarkeit im Vergleich zu den hochfesten Faserverbundwerkstoffen“, begründet Bauingenieur Thomas Ummenhofer vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „Für sehr kleine Anlagen könnte Holz jedoch eine gute Alternative sein.“ Um die Blätter witterungsbeständiger zu machen, nutze Voodin keine kunststoffbasierte Beschichtung, sondern ein pflanzliches Öl, so CEO Tom Siekmann. Später könnten sie im Haus- und Hallenbau wiederverwertet werden.
Doch was tun mit all den Turbinen, die vor 20 bis 25 Jahren installiert wurden und nun ihr Lebensende erreichen? Ist Re-Use möglich? Das erforscht Ummenhofer mit Kolleg:innen am KIT, dort leitet er die Abteilung Stahl- und Leichtbau. Bisher werden alte Rotorblätter als Bauteile genutzt, etwa als Überdachung von Gebäuden, in Brücken oder Fassaden. Allerdings seien das aufgrund der besonderen Form der Blätter nur Spezialfälle, so Ummenhofer. Sein „BladeReUse“-Projektteam schaut sich an, welche Rotorblattsegmente wie in Infrastrukturbauwerken integriert werden können, etwa in Lärmschutzwänden, Wasserrohren und Autobahnen. Dass sich die Windfänger trotz 20-jähriger Strapazen für den weiteren Einsatz eignen, haben erste Ergebnisse des 2023 gestarteten Forschungsprojekts bereits gezeigt.
Vom Herbstlaub zur Tüte
Jedes Jahr im Herbst häufen sich Berge aus buntem Laub an Straßenecken, auf Gehwegen und in Parks. Von einem auf den anderen Tag sind sie plötzlich verschwunden. Doch was passiert eigentlich mit den gefallenen Blättern nach ihrem Leben am Baum? In Deutschland ist es so: Reinigungsunternehmen sammeln den grünen Abfall, er wird teilweise in Biogas umgewandelt und größtenteils kompostiert.
Ein ukrainisches Start-up hat einen Weg gefunden, mit der Entsorgung des Laubs die Papierindustrie zu revolutionieren: Es verwandelt tote Blätter in Einkaufstüten. Die Idee kam Gründer Valentyn Frechka, als er nach einer Alternative für die Gewinnung von Zellstoff suchte. Denn dieser ist der wichtigste Rohstoff in der Papierherstellung und wird in der Regel aus Holzfasern gewonnen. Das Umweltbundesamt schätzt, dass die Papierindustrie für ein Fünftel des globalen – teilweise illegalen – Holzeinschlags verantwortlich ist. Unter anderem die klimatisch wertvollen Regenwälder Brasiliens werden gerodet, um den weltweiten Bedarf von 405 Millionen Tonnen Papier jährlich zu stillen.
Releaf Paper, so heißt das von Frechka gegründete Start-up, will der Abholzung nun mit der Produktion von Zellstoff aus Blättern entgegenwirken. Aktuell kooperiert Releaf Paper mit einem französischen Unternehmen, das Laub in Pariser Vororten sammelt und zu einer Pilotanlage transportiert. Dort wird das Laub von Zigarettenstummeln und Straßenschmutz befreit, gewaschen und getrocknet. Dann werden die in Pellets gepressten Blätter zu faserigem Zellstoff weiterverarbeitet und nach Beimischung eines Füllstoffs zu Papier gepresst und gewalzt. Aus 2,3 Tonnen Laub gewinnt Releaf Paper eine Tonne Papier – genug für etwa 49.000 Einkaufstüten.
Würde sich die Technologie durchsetzen, wäre das nicht nur ressourcenschonender, sondern auch gut für die Atmosphäre. Nach Angaben von Releaf Paper verursacht ihr Verfahren 33 Prozent weniger Treibhausgasemissionen als die Herstellung von Recyclingpapier. Außerdem spart es Wasser: Blätter haben eine weniger dichte Struktur und eine einfachere chemische Zusammensetzung als Holz. Um sie in Papier umzuwandeln, braucht es weniger aggressive Chemikalien und somit einen kürzeren Waschgang.
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