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Bevor ich angefangen habe, diesen Artikel zu schreiben, habe ich alle Arbeitsmaterialien gecheckt: Laptop, Ladegerät, die britische „Cup of Tea“ – und meinen Vape. Wie mehr als eine Millionen Brit:innen und noch einmal genauso viele Menschen in Deutschland greife ich gelegentlich zur E-Zigarette. Damit bin ich Teil eines Trends, der sich in Europa mit erstaunlicher Geschwindigkeit ausgebreitet hat. Was einmal als wirksames MIttel zur Entwöhnung von Zigaretten galt, ist für viele Menschen inzwischen als Einweg-Vapes zu einer neuen Sucht geworden. Und das für jung und alt und über alle sozialen Schichten und Berufszweige hinweg.
Bei meinem letzten Besuch in meinem Heimatland Großbritannien war ich erstaunt, wie sichtbar die Wegwerf-Dampfkultur geworden ist. Jede zweite Person schien einen Vape im Mund oder in der Hand zu haben. Banker eilten durch die Londoner Canon Street und dampften. Das Personal suchte im Raucherbereich des Krankhauses inmitten künstlicher Rauchschwaden Schutz vor dem bitteren Wind in Bristol. Direkt von einem lokalen Sainsburys war ein Mülleimer vollständig mit frischen Einweg-Vape-Aufklebern beklebt. Diese winzigen Aufkleber sind nicht nur die Sinnbilder für den Vape-Hype – sondern auch für ein wachsendes Müllproblem. Mich hat nicht nur die schiere Menge der Einweg-Vapes erstaunt. Es war auch die Beiläufigkeit, mit der sie weggeworfen wurden.
Hinter diesem angeblich harmlosen Trend verbirgt sich ein viel größeres Problem. Ausrangierte Elektrogeräte gehören heute zu dem am schnellsten wachsenden Müllberg. Im Jahr 2022 wurden weltweit schätzungsweise 62 Millionen Tonnen an Elektroschrott produziert. Nach Angaben der WHO sammelten Recycling-Unternehmen nur 22,3 Prozent davon wieder ein. Der durchschnittliche Brite schneidet etwas besser ab: Er produziert neun Kilogramm Elektroschrott pro Jahr, von denen er 31,2 Prozent recycelt. In Deutschland produzieren Menschen durchschnittlich rund 10,5 kg an Elektroschrott im Jahr. Insgesamt recycelt das Land etwa 86 Prozent des Elektroschrotts.
Der Hype um die Einweg-Vapes könnte diese Statistiken allerdings noch einmal deutlich verschlechtern. Menschen in Großbritannien werfen etwa acht Millionen Vapes weg – jede Woche. In Deutschland sind es Schätzungen zufolge etwa 5 Millionen Stück. Und in jedem Vape steckt eine Lithium-Ionen-Batterie, Verdampfer und weitere Bauteile. Diese müssen ressourcenintensiv produziert werden und gehören eigentlich in den Sondermüll.
Während wir also weiter paffen, nehmen die Folgen für unsere Umwelt, unsere Infrastruktur und auch die Ressourcenknappheit weiter zu.
Schritt 1: Anzahl an Wegwerf-Vapes verringern
Obwohl sowohl Großbritannien als auch Deutschland Verbote für Einweg-Vapes planen, nimmt das Problem aktuell noch weiter zu. In Großbritannien war die Anzahl an Einweg-Vape-Konsument:innen bis 2021 recht stabil. Einer von etwa 200 Brit:innen, die noch nie regelmäßig geraucht haben, nutzte E-Zigaretten. Im Jahr 2024 stieg diese Zahl allerdings sprunghaft auf eine:n von 28 an. Dementsprechend nahm auch die Menge an Abfall drastisch zu. Viele neue Produkte wie die „Big Puff“-Vapes fallen zudem nicht in den Geltungsbereich des Verbots. Umweltschützer:innen warnen daher, dass diese eigentlich wiederverwendbaren Vapes von den Verbraucher:innen als Wegwerfprodukte behandelt werden. Denn sie sind billig und die wiederaufladbaren Komponenten so schlecht konsturiert, dass sie nach wenigen Zyklen kaputt gehen.
Entsorgt werden die Einweg-Vapes in der Regel im Hausmüll. Dabei geben sie schädliche Chemikalien und Mikroplastik an die Natur ab. Sie verseuchen Böden und Wasser und gefährden die Tierwelt. Die bereits angesprochenen Lithium-Ionen-Batterien sind dabei durchaus gefährlich, wenn sie in Mülltonnen und Recycling-Zentren zerkleinert oder zerdrückt werden. Das ist keineswegs ein marginales Problem: Brände durch zekleinerte Batterien – etwa wie die in den Vapes – treten immer häufiger auf. Dabei stellen sie eine ernsthafte Gefahr für Mitarbeitende sowie für die Anlagen selbst da.
Scott Butler ist Geschäftsführer von Material Focus, einer britischen Non-Profit-Organisation. Sie setzt sich für eine Welt ein, in der keine Materialien mehr verschwendet werden. „Es gab 1.200 gemeldete Brände im Zusammenhang mit Batterien und Elektrogeräten, die Batterien enthalten“, berichtet Butler gegenüber RESET. Außerdem würden die riesigen Mengen an Abfall diese Gefahren noch verstärken. Die Millionen Geräte, die wöchentlich weggeworfen werden, sind gleichbedeutend mit Millionen von potenziellen Gefahren für Menschen, Tiere und Infrastruktur.
Die schlechte Ressourcennutzung verschärft die Krise zusätzlich. Lithium, ein wichtiger Baustoff für erneuerbare Energien und von Elektrofahrzeugen, ist eigentlich zu wertvoll, um in Vapes in den Müll zu wandern. Auch Kupfer, Kunststoff und andere perfekt recycelbare Komponenten verschwinden auf Mülldeponien. Diese verlorenen Materialien bedeuten, dass wir noch mehr Ressourcen aus der Erde nehmen müssen. Und das wiederum heizt die Umweltzerstörung und Konflikte in den ärmsten Ländern der Welt weiter an. Das alles nehmen wir in Kauf für einen Mango-Kiwi-Vape, der nur ein Wochenende lang hält?
Und dann wäre da noch das Geld: Derzeit liegen die Kosten für das Recycling eines einzelnen Vapes bei etwa 60 Cent. Damit kostet eine Tonne 6.000 bis 12.000 Euro, was etwa 37.000 Vapes entspricht. Für das Jahr 2023 schätzte Material Focus die potenziellen Kosten für das Sammeln und Recyceln von Vapes auf etwa 241 Millionen Euro. Die Organisation argumentiert dabei, dass diese Kosten von den Herstellern, dem Einzelhandel und den Import-Unternehmen getragen werden sollten. Aktuell zahlen dafür noch die Steuerzahler:innen.
Schritt 2: Mehr Aufmerksamkeit erreichen
Nach britischem Recht sind Vape-Händler dazu verpflichtet, gebrauchte Geräte kostenlos zum Recycling anzunehmen. In Deutschland müssen Händler, die über eine Verkaufsfläche beziehungsweise Versand- und Lagerfläche von mehr als 400 Quadratmetern für Elektro- und Elektronikgeräte verfügen Einweg-Vapes zurücknehmen. Alternativ sind sie bei Annahmestellen für Elektroschrott zu entsorgen.
Das Rücknahmesystem bietet den Vebraucher:innen eine einfache Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass wertvolle Ressourcen rückgewonnen werden können. Doch obwohl die Infrastruktur in Großbritannien vorhanden ist, scheitert es am Bewusstsein. 77 Prozent der britschen Nutzer:innen sind der Meinung, dass es nicht genug Informationen darüber gibt, wie Vapes zu recyceln sind. Das hat Material Focus dazu veranlasst, Vapes in die landesweite Kampagne „Recycle Your Electricals“ aufzunehmen.
Scott Butler erklärt: „Die Leute haben so gut wie keine Informationen über das Recycling von Vapes erhalten – bis es uns gab.“ Durch die Beseitigung dieser Wissenslücke arbeitet die Kampagne daran, die Rücknahme so selbstverständlich zu machen wie den Kauf von Vapes. So will man sicherstellen, dass Verbraucher:innen einfacher eine umweltbewusste Entscheidung treffen können. Der „Recycling Locator“ hilft den Menschen, Abgabestellen in der Nähe zu finden. Material Focus finanziert zudem Initiativen zum Ausbau der Recycling-Infrastruktur, um ein Kreislaufsystem für Elektroschrott weiter zu fördern.
„Obwohl einige [Einzelhändler] besser abschneiden als andere“, stellt Butler fest, „ist die Einhaltung der Vorschriften bei den Einzelhändlern uneinheitlich. Unabhängige Läden, die sich aufs Dampfen spezialisiert haben, schneiden dabei besser ab. Britische Supermarktketten haben zudem leicht zugängliche Rücknahmestellen. Etwa 20 Prozent der Konsument:innen geben an, ihre Einweg-Vapes regelmäßig zu recyceln. Das ist durchaus mehr als die acht Prozent aus dem letzten Jahr. Butler betont insgesamt, wie wichtig es ist, dass Verbraucher:innen aktiv werden: „Wir rufen die Nutzer:innen dazu auf, mehr Druck zu erzeugen. Wenn sich ein Geschäft weigert, Vapes zurückzunehmen, erinnern Sie sie freundlich daran, dass sie gesetzlich dazu verpflichtet sind. Und wenn sie sich dann immer noch weigern, gehen Sie ins Geschäft nebenan, das ein Recycling anbietet.“
Schritt 3: Den Recycling-Prozess effizienter gestalten
Auch der physische Prozess des Vape-Recyclings kann von Technologie unterstützt werden. Im Vereinigten Königreich werden die meisten Vape-Recycling-Systeme mit einem manuellen Verfahren durchgeführt, bei dem das Vape mit einer Schere zerschnitten wird. „Dabei werden gefährliche Flüssigkeiten in die Atmosphäre (oder in die Person, die das Schneiden übernehmen muss) abgegeben“, so Liberty Recycling Solutions. Die gefährliche Batterie, die Spannung und Elektrolyte enthält, wird dann extrahiert und exportiert. Alle weiteren Bauteile werden anschließend verbrannt.
Liberty hat eine automatisierte Recycling-Lösung für Einweg-Vapes, Handys, Bohrmaschinenbatterien und Elektroautobatterien entwickelt. Diese zerkleinert Vapes in einer kontrollierten Atmosphäre. Gleichzeitig verhindert sie Brände und extrahiert wertvolle Materialien wie Kupfer und Lithium für die Wiederverwendung. Gemeinsam mit dem Technologiepartner ERMAFA baut und testet das Unternehmen die neuen Maschinen. Inzwischen sind sie bereits in Recyclinghöfen in ganz Großbritannien zu finden.
Löst sich unser Abfall so in Luft auf? Wohl eher nicht!
Während die Verbesserungen beim Recycling zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung sind, spiegelt die Krise bei den Einweg-Vapes ein größeres Problem wider: Unsere Abhängigkeit von einem Abfallsystem, das die Entsorgung gegenüber der Vermeiung von Abfall sowie dem Recycling und der Wiederverwendung vorzieht. Politische Maßnahmen wie die, die in Großbritannien 2025 in Kraft treten, senken die Zahl der Einweg-Vapes höchstwahrscheinlich. Es sind jedoch individuelle und kollektive Maßnahmen, die für einen dauerhaften Wandel sorgen werden.
Die Instrumente und die Infrastruktur sind bereits vorhanden. Schlanke, wiederaufladbare Vapes werden in immer mehr Fachgeschäften angeboten. Auch wenn „Vaping“ im Verdacht steht, gesünder zu sein als das Rauchen herkömmlicher Zigaretten, ist auch das Dampfen von Nikotin nicht risikofrei. Nur wenn wir informierte und mündige Verbraucher:innen werden, die Initiative ergreifen und uns für bessere Praktiken einsetzen, können wir dazu beitragen, dass sich beim Vape-Recycling etwas ändert. Und das sorgt langfristig für einen sichereren und grüneren Planeten für uns alle.
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