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Tiere raus, Pflanzen rein
Rund 740 Millionen Nutztiere werden jährlich in Deutschland geschlachtet, weitere 55 Millionen zur Produktion von Eiern und Milch eingesetzt. Dabei hat Viehhaltung drastische Konsequenzen für Klima, Umwelt und Menschen. „Ohne Abbau der Tierhaltung ist keine Klimagerechtigkeit möglich“, so Tanja Niggemeier von Faba Konzepte. Der Verein, im Jahr 2022 gegründet, hat eine Antwort, was es für eine Transformation braucht: Landwirtschaft ohne Tierhaltung.
Kleinere, familiengeführte Betriebe könnten den Anfang machen. Nur wie? Natürlich haben sie meist viel investiert – in Ställe-, Fütterungs- und Tränkanlagen – und müssen schauen, was genug Geld bringt. Für das „Chancenprogramm Höfe“ der Bundesregierung hat Faba Ideen entwickelt. Zum Beispiel, wie Betriebe auf die Produktion alternativer Eiweißquellen umsatteln können. Dazu zählen der Anbau proteinreicher Pflanzenarten oder die Zucht von eiweißhaltigen Algen oder Pilzen. Denn beide Kulturen verbrauchen weniger Land und Wasser. Oder: Den Betrieb in einen Lebenshof für Nutztiere in Rente oder in Ferienwohnungen verwandeln.
Faba und die Organisation TransFARMation bieten den Betrieben Unterstützung an. Mehr als 130 Betriebe in der Schweiz hat das Team bereits bei der Umstellung begleitet. 2024 startete die Initiative in Deutschland. Bisher erhält TransFARMation zehn bis zwanzig Anfragen pro Jahr. Der meistgenannte Grund: „Für viele Landwirt:innen ist das Auswählen der Tiere zur Schlachtung eine Belastung“, so Vorsitzender Timo Geuß. „Wir loten individuell Fördermöglichkeiten aus, stellen Kontakte her, kreieren Betriebskonzepte und integrierte Finanzpläne.“
Am Anfang dauere es ein wenig, bis die Einnahmen auf dem Niveau vor der Umstellung sind. „Aber die meisten Landwirt:innen sind froh, den Schritt gegangen zu sein.“ In Zukunft möchte TransFARMation auch eine Rechtsberatung für Landwirt:innen anbieten. Doch die Tierhaltungslobby ist groß. „Viele Landwirt:innen geben lieber auf, als neue Wege zu gehen. Wir alleine können das nicht auffangen“, so Geuß.
Niggemeier: „Der Wille muss von Landwirt:innen und Politik kommen.“ Doch Anfang dieses Jahres hat das Landwirtschaftsministerium eine Milliarde Euro zur Förderung des Tierwohls zur Verfügung gestellt – und nur 30 Millionen Euro für das Chancenprogramm. „Umgebaute Ställe und ein bisschen mehr Frischluft bringen weder Tier noch Umwelt was. Transformation braucht mehr.“
Vom Stall zum Standbein
In vielen afrikanischen Ländern sichern Nutztiere wie Ziegen, Esel und Rinder das Überleben von Bauernfamilien. Doch wie sieht es mit dem Wohl dieser Tiere aus – insbesondere in Projekten, die von NGOs unterstützt werden? Klare Tierschutzrichtlinien für die Entwicklungszusammenarbeit gibt es kaum. Das zeigt eine Online-Umfrage von 2021, die 2024 im wissenschaftlichen Journal animals erschien. Eine Überprüfung vor Ort ergab: Oft geht es den Tieren sogar noch schlechter, als die NGOs angeben.
Ein Blick nach Ruanda zeigt, was das in der Praxis bedeutet. Arme Familien erhalten seit 2006 im Rahmen des Regierungsprogramms „One Cow per Poor Family“ eine Kuh, um sich selbst besser versorgen zu können. „Doch häufig fehlt das Wissen zur artgerechten Haltung“, so Jean Claude Masenge-sho, Direktor der Rwanda Animal Welfare Organization (RAWO): „Viele der Familien haben nie zuvor Vieh gehalten und wissen zu wenig darüber, zum Beispiel wie viel Wasser Rinder pro Tag brauchen.“
Wie lässt sich diese Wissenslücke schließen? Dafür hat die internationale Welttierschutzstiftung (WTS) 2019 das Programm „Tierwohl in der Entwicklungszusammenarbeit“ initiiert und sich mit der RAWO zusammengetan. Die WTS finanziert das Projekt, das fachliche Wissen kommt von der RAWO und dem WTS-geförderten Animal Welfare Competence Center for Africa (AWeCCA) an der ugandischen Makarere-Universität. Das Ziel: Mehr Bewusstsein für artgerechte Tierhaltung in ländlichen Regionen schaffen.
So schulen in einem Pilotprojekt seit 2022 einheimische Trainer:innen Bauernfamilien im Distrikt Musanze. Sie gehen von Hof zu Hof und beraten die Viehhalter:innen: Wie oft brauchen die Tiere sauberes Wasser, wie wichtig ist ausreichend Bewegung, was heißt stressfreie Haltung, wie kann man Krankheiten frühzeitig erkennen und behandeln? „Dabei geht es nicht darum, westliche Maßstäbe aufzudrücken, sondern das Wissen vor Ort zu verbessern und lokale Netzwerke aufzubauen“, sagt Masengesho.
Seit Projektstart wurden 1.800 Farmer:innen geschult. Eine Projektevaluation ergab, dass 76 Prozent der Landwirt:innen durch die Trainings mehr über Tierschutzmaßnahmen wissen. So sind die Tiere gesünder, produktiver, leben länger und übertragen weniger Krankheiten. „Das Programm zeigt: Gesteigertes Tierwohl in NGO-Projekten kann auch Armutsbekämpfung sein“, so WTS-Vorständin Karin Siegmund. Die ruandische Regierung will nun mehr Richtlinien in ihr neues Tierschutzgesetz aufnehmen.
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