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Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk hat eine Sache sehr gut gezeigt: Es ist äußerst gefährlich, wenn Medien von einer Person oder bestimmten Interessensgruppen gesteuert werden. Denn Inhalte können verzerrt dargestellt werden, sodass sie auch das Meinungsbild der Nutzer:innen verzerren. Gleichzeitig sorgen überflüssige KI-Funktionen für einen großen CO2-Fußabdruck, personenbezogene Daten werden nicht sorgfältig gespeichert und süchtig machen Instagram, X und Co. sogar „by design“.
Dabei ist es überraschend einfach, sich von den „Big Playern“ der digitalen Welt zu entziehen: Account schließen, zur Löschung der eigenen Daten aufrufen und eine dezentrale Alternativen aus dem Fediverse nutzen. Willkommen im besseren Social Media!
Warum etablierte soziale Netzwerke zum Problem werden
Auch wenn Twitter, Facebook, Instagram und TikTok unterschiedlich aussehen und ganz andere Inhalte liefern, haben sie eine Gemeinsamkeit. Sie sind umsonst, weil ihre Betreiber mit Nutzerdaten und Werbung Geld verdienen. Gleichzeitig stammt der Großteil ihrer Inhalte von Nutzer:innen, ohne dass diese dafür direkt entlohnt werden.
Bei diesem ohnehin schon nicht sonderlich fairen Deal bestimmen die Betreiber zudem die Regeln. Auf welchem Server landet mein privates Foto? Welche Inhalte kann ich überhaupt hochladen und darf ich darin meine Meinung frei äußern? Werden meine Inhalte aufgrund meiner Herkunft, meines sozialen Status, meines Geschlechts und anhand weiterer Faktoren anders beurteilt? Und gehört mir der hochgeladene Inhalt nach dem Upload überhaupt noch?
All diese Regeln legen Betreiber wie Google, Meta oder das Team rund um Elon Musk bei „X“ ganz allein fest. Und dabei orientieren sich die Betreiber der Plattformen keineswegs daran, die bestmögliche Umgebung für ihre Nutzer:innen zu gestalten, meint der Head of Communication Andy Piper vom dezentralen Kurznachrichtendienst Mastodon.
„Um über Werbeeinnahmen Geld zu generien, möchten [die Betreiber] möglichst viele Informationen über die Nutzer:innen erhalten. Um diese Daten zu erhalten, sollen Nutzende möglichst lange Zeit mit dem Produkt verbringen“, so Piper. Diese Maximierung wird einerseits über einen Fokus auf Bedienfreundlichkeit erreicht, andererseits grenzen sich die Dienste dadurch voneinander ab, dass sie miteinander inkompatibel sind. Es entstehe ein „Walled-Garden-Effekt“, der Nutzende stärker an den jeweiligen Dienst bindet.
Derartige Bindungen generieren laut Andy Pipier Abhängigkeiten. Und die werden vor allem dann zum Problem, wenn die Betreiber die Spielregeln ihrer Plattformen ändern. Meta stand etwa im Jahr 2021 in der Kritik, da neue Nutzungsbedingungen beim Messenger WhatsApp den Datenschutz deutlich verschlechtern sollten. Der Dienst zog die Anpassungen nach großer Kritik erstmal zurück. Im Jahr 2024 schaffte Meta bei Instagram die Moderation von Inhalten ab. Mutmaßlich auf Druck des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Und vom Downfall der Plattform „X“ hat womöglich jede/r schon gehört.
Darum sollte dein nächster Dienst dezentral sein
Wären diese Dienste dezentral strukturiert, wären solche Veränderungen nicht möglich gewesen. Als dezentral beschreibt man im Internet Plattformen, die eben nicht zentral auf einem oder mehreren Servern eines einzelnen Betreibers konzentriert sind. Stattdessen gibt es mehrere voneinander unabhängige Server, die miteinander kommunizieren. Diese Server können von Einzelpersonen, Unternehmen oder Gemeischaften betrieben werden, die eigene Regeln festlegen können. Nutzer:innen steht es frei, auf welchem Server sie sich registrieren. Da die einzelnen Servern nicht einer Person oder einem Unternehmen gehören, ist auch die Verfügungsgewalt über Inhalte, Daten und Co. auf mehrere Personen aufgeteilt.
Nutzende können bei Problemen oder bei anderen Bedürfnissen auf einen anderen Server oder eine andere Instanz wechseln. Denn deren Betreiber schaffen nur die technischen Voraussetzungen der Plattform. Anders als bei Instagram und Co. herrscht hier also eine Pluralität an Gemeinschaften, die es laut Andy Piper in der echten Welt schließlich auch gebe: „Wenn sogenannte Big-Tech-Unternehmen beginnen, ihre Moderationsrichtlinien stärker auf eine US-zentrische Weltanschauung zu lenken, können Nutzende sich einer anderen Community zuwenden. Dezentrale Netzwerke sind flexibler und besser dafür geeignet, sich an die Bedürfnisse von Gemeinschaften auf der ganzen Welt anzupassen.“
Digital Service Act – Kontrollversuch der EU
Dass Hassrede, Missbrauch und Straftaten auch im Internet stattfinden, versucht die EU mit dem „Digital Service Act“ einzuschränken.
Der Gesetzesentwurf ist seit dem 17. Februar 2024 anwendbar und soll dafür sorgen, dass illegale Inhalte auch in sozialen Netzwerken schneller entfernt werden.
Für die Plattformen YouTube, Facebook und Tiktok gibt es zudem eine unabhängige Anlaufstelle für Betroffene. Diese meldete im März 2025, dass bereits 1.500 Dispute auf den genannten Plattformen eingegangen seien. Dass 77 von 141 für Facebook eingegangene Beschwerden zugusten der Betroffenen entschieden wurden, zeige laut Pressemitteilung den Wert der Initiative.
Technisch sind dezentrale Netzwerke zudem resilienter gegen Cyber-Angriffe und Naturkatastrophen, da ihre Server nicht bloß an einem Ort stehen. Auch wenn die Server großer Unternehmen auf der ganzen Welt stehen, arbeiten sie nicht unabhängig voneinander. Die Datensouveränität ist hier zudem ganz anders geregelt. Würde sich der Betreiber eines dezentralen Netzwerkes dazu entscheiden, Nutzungsdaten zu missbrauchen oder zu verkaufen, sind sie nicht gesammelt an einem einzigen Ort.
Dass dezentrale Netzwerke funktionieren, zeigt ein recht simples Beispiel: E-Mails. Hier können wir uns frei entscheiden, ob wir bei Google, GMX oder doch bei einem grünen Anbieter wie Posteo oder Tuta ein Konto eröffnen. Da ihre Server mit demselben Protokoll miteinander kommunizieren, können wir uns frei per E-Mail austauschen.
Diese dezentralen Alternativen gibt es
Pixelfed – das Instagram im Fediverse
Starten wir mit Pixelfed, einer dezentralen und quelloffenen Instagram-Alternative. Gestartet wurde Pixelfed bereits im Jahr 2018, die Plattform erfuhr aber erst nach Änderungen bei Instagrams Moderationsrichtlinien seitens Meta-CEO Mark Zuckerberg einen großen Zuwachs an Nutzenden. Apps für iOS und Android, die erst Anfang 2025 erschienen, wurden in den ersten zwei Tagen bereits 10.000 Mal heruntergeladen. Sie ermöglichen ein bequemes Anschauen und Hochladen von Fotos via Smartphone.
Anders als Instagram ist Pixelfed allerdings auch am PC und Tablet über Internetbrowser nutzbar und bietet noch einen weiteren Vorteil: Da die Betreiber von Pixelfed sich über das ActivityPub-Protokoll dem Fediverse angeschlossen haben, können Nutzende von Pixelfed auch mit anderen Diensten kommunizieren. Etwa Mastodon oder PeerTube, die wir gleich noch vorstellen werden.
Mastodon und Bluesky – zwei Alternativen zu X
Nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk wandten sich viele Unternehmen und Nutzer:innen vom fortan als X bekannten Kurznachrichtendienst ab. RESET findest du seit einiger Zeit daher sowohl auf Mastodon als auch auf BlueSky, die beide stark an Twitter erinnern.
Während BlueSky erst seit Anfang 2024 dezentral strukturiert ist, gilt Mastodon schon lange als Paradebeispiel für dezentrale Dienste und das Fediverse. Nachdem der Entwickler Eugen Rochko Mastodon im Jahre 2016 veröffentlichte, erfuhr der Dienst nach der Twitter-Übernahme im Jahr 2022 größere Aufmerksamkeit. Heute agiert Mastodon als gGmbH aus Berlin. Stefan Mey betitelt die Zahl der Nutzer:innen für das Jahr 2023 auf etwa 1,6 Millionen.
Genau wie Pixelfed nutzt Mastodon das ActivityPub-Protokoll und ist somit Teil des Fediverse. Die Dienste sind folglich miteinander kompatibel.
BlueSky hingegen nutzt ein anderes Protokoll und gehört damit streng genommen nicht dem Fediverse an. Der Dienst ist aber eingeschränkt mit dem Fediverse und seinen Diensten kompatibel.
Es gibt allerdings noch einen Unterschied: Während die Mastodon und Pixelfed einen besonders starken Fokus auf die Datensouveränität und die Unabhängigkeit von Unternehmen legen, ist BlueSky stärker als Twitter-Alternative entwickelt worden. Die Plattform ist dabei zwar quelloffen und dezentral, Kritiker:innen bemängeln aber die potenzielle Einflussnahme durch die Entwickler.
PeerTube – YouTube zum Selber-Hosten
Wer nach einer dezentralen Alternative zu YouTube – das ja seit langer Zeit durch Google betrieben wird – sucht, wird im Netz schnell auf PeerTube stoßen. Die Videoplattform bietet Nutzenden die Möglichkeit, eigene Instanzen auf ihren Servern laufen zu lassen. So können etwa Hochschulen eine eigene PeerTube-Plattform anbieten, auf denen Studierende und Lehrende Videos hochladen.
PeerTube gehört ebenfalls dem Fediverse an und ist somit interoperabel zu Mastodon und Pixelfed. Wie der Name PeerTube aber bereits andeutet, gibt es hier noch eine Besonderheit.
Denn PeerTube ermöglicht es Nutzenden, statt einer Serververbindung auch eine Direktverbindung zwischen zwei Geräten (Peer-to-Peer) aufzubauen. Möchte ein User dann etwa ein Video schauen, baut das eigene Gerät eine direkte Verbindung zum Gerät eines anderen Users auf. Da Peer-to-Peer-Verbindungen von ihrer Natur aus ohne Server funktionieren, sind sie streng genommen das perfekte dezentrale Netz. Denn sie sind besonders Wirksam gegen Zensur und Angriffe geschützt, da sie ganz ohne Server funktionieren.
Urheberrechtlich ist die Verbreitung von Peer-to-Peer allerdings in einigen Fällen problematisch. Da das eigene Endgerät Daten sowohl empfängt als auch versendet, werden Nutzer:innen auch zu Verbreiter:innen des Materials. Und das kann im schlimmsten Falle – wie damals zu Limewire-Zeiten – rechtliche Konsequenzen haben.
Friendica, Lemmy und weitere Alternativen
Im Fediverse gibt es weitere dezentrale Dienste, die sich das ActivityPub-Protokoll teilen. Das ebenfalls von Meta betriebene Facebook findet etwa in Friendica eine Alternative, die dank Open-Source-Lizenzen auf eigenen Servern betrieben werden kann. Der News-Aggregator Reddit kann durch die Plattform Lemmy ersetzt werden. Weitere Beispiele finden sich im Schaubild des deutschen IT-Blogs KuketzBlog weiter oben auf dieser Seite.
Sind dezentrale Dienste auch nachhaltiger?
Unser digitaler Fußabdruck steigt natürlich auch dadurch an, dass wir immer mehr Zeit auf sozialen Netzwerken verbringen. In einem anderen Artikel haben wir erläutert, wie sich die eigene Social-Media-Nutzung durch die App One Sec reduzieren lässt. Das ist schon aus dem Grund ratsam, da allein der Kurznachrichtendienst TikTok jährlich mehr CO2-Emissionen ausstößt als das Land Griechenland. Gleichzeitig führt übermäßiger Social-Media-Konsum aber auch dazu, dass wir mehr Ängste in Bezug auf negative Folgen des Klimawandels haben.
Wie sehen Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung aus?
Die digitale Welt wird zu einem immer größeren Problem für Umwelt und Klima. Doch es gibt viele Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung – wir haben sie recherchiert!
So schrumpfst du deinen digitalen CO2-Fußabdruck und trägst zu einer zukunftsfähigen digitalen Welt bei: Digital und grün
Der Wechsel zu dezentralen Anbietern hat daher gleich zwei positive Effekte: Einerseits hängen die Umweltfolgen von Diensten im Internet immer auch davon ab, ob deren Betreiber grüne Server verwenden. Die Green Web Foundation hat hierzu Anfang 2025 ein Projekt ins Leben gerufen, das etliche bekannte Domains auf die Verwendung von grünem Strom hin überwacht.
Bei dezentralen Diensten haben Nutzende mehr Kontrolle darüber, wo ihre Daten liegen. Eine Community aus Nachhaltigkeitsexpert:innen kann ihre Mastodon-Instanz etwa auf grünen Servern betreiben. Darüber hinaus, und das betont Andy Piper von Mastodon noch einmal deutlich, arbeiten Dienste wie Mastodon nicht gewinnorientiert.
Dementsprechend sind Mastodon, Pixelfed und PeerTube frei von Werbung, die in ihrer Gesamtheit aus Werbebannern, Werbeclips, der Platzierung von Trackern auf Webseiten und weiteren Mechanismen einen beachtlichen Teil des Traffics im Netz verursachen. Hinzu komme die noch recht junge Tendenz von Big-Tech-Unternehmen, über KI-Funktionen wettbewerbsfähig bleiben zu wollen. KI-Modelle wie das von OpenAI entwickelte GPT sind allerdings extrem energiehungrig und bringen auf Plattformen, die „authentische menschliche Verbindungen“ schaffen sollen, nicht unbedingt Vorteile.
Da wir beim Wechsel auf dezentrale, quelloffene Dienste mehr Kontrolle haben, können wir die Nachhaltigkeit also stärker beeinflussen. Und weil Mastodon, Pixelfed und Co. zudem weniger Einfluss auf die Inhalte nehmen, sind systematische Klimawandelleugnung oder sogenanntes Doomscrolling unwahrscheinlicher.

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers „Digital und grün – Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung“, in dessen Rahmen wir Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung vorstellen. Wir danken der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die Projektförderung!
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