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Daten im Einsatz für unsere Meere – wie OceanMind durch Satelliten und KI illegale Fischerei ins Netz gehen lässt

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01 Juli, 2025

This post was originally published on Reset

Jedes Jahr verschwinden bis zu 26 Millionen Tonnen Fisch illegal aus den Weltmeeren. Das heißt, dass einer von fünf Fischen Schätzungen zufolge auf nicht legalem Weg gefangen wird. Damit ist die sogenannte IUU-Fischerei – illegale, unregulierte und undokumentierte Fangaktivität – eine der größten Bedrohungen für marine Ökosysteme. Durch ihre globale Dimension bleibt die illegale Fischerei häufig unentdeckt.

Doch das ändert sich gerade. Eine Organisation aus Großbritannien bringt Licht ins Dunkel – oder besser gesagt Echtzeitdaten ins Netz. Mit Hilfe von Satellitentechnologie und KI sagt OceanMind illegaler Fischerei den Kampf an – mit dem ambitionierten Ziel, innerhalb der nächsten fünf Jahre illegal gefangenen Fisch von Häfen und Märkten fernzuhalten und so die Einfuhr von Fischen aus IUU-Fängen zu stoppen.

Tragweite von illegaler Fischerei und ihre Bekämpfung

IUU-Fischerei ist ein komplexes globales Phänomen mit weitreichenden ökologischen und wirtschaftlichen Folgen. Weltweit bedroht sie Fischbestände und die biologische Vielfalt der Meere. Schätzungen zufolge verursacht illegaler Fischfang global jährliche Verluste in zweistelliger Milliardenhöhe. Ganze Küstengemeinden können dadurch ihre Lebensgrundlage verlieren. Besonders betroffen sind Länder, denen es an Ressourcen für Kontrollen fehlt, zum Beispiel kleine Inselstaaten im indischen und pazifischen Ozean und Länder des globalen Südens. Diese Länder müssten oft riesige Meeresflächen überwachen, haben dafür aber keine Mittel. Illegale Fischerei verschärft in diesen vom Fischfang abhängigen Ländern die Armut lokaler Gemeinden und sorgt für zunehmende Nahrungsmittelknappheit.

Ein zentrales Instrument in der globalen Bekämpfung von illegaler Fischerei ist das sogenannte „Agreement on Port State Measures“ (PSMA), das 82 Nationen unterzeichnet haben. Ziel dieses internationalen Abkommens ist es sicherzustellen, dass illegal gefangener Fisch gar nicht erst in die Lieferkette gelangt. Im Idealfall wird dessen Einfuhr direkt an der Hafeneinfahrt blockiert und der Fisch somit unverkäuflich. Das soll den Anreiz verringern, weiter illegal zu operieren und den Import von illegalem Fisch stoppen, so zumindest die Theorie. In der Praxis scheitert die Umsetzung aktuell allerdings noch an vielen Stellen. Bis heute hat nur ein Bruchteil der Unterzeichnerstaaten des PSMA ein wirksames System eingeführt, das die Herkunft des gefangenen Fisches prüft. Hier setzt OceanMind an.

„Wir haben die rechtlichen Instrumente und die technologische Basis. Was fehlt, ist die koordinierte Umsetzung. Genau daran arbeiten wir.“

OceanMind wurde im Jahr 2018 als Non-Profit-Organisation mit der Mission gegründet, die Ozeane zu schützen. Dabei versteht sich die Organisation als technologiebasierter Datenanbieter. Durch intelligente Zusammenführung, Analyse und Aufbereitung von Daten überwacht OceanMind Schiffsbewegungen in den Ozeanen. Hierzu nutzt die Organisation öffentlich zugängliche Satellitenbilder sowie Schiffsortungsdaten aus sogenannten Automatic Identification Systemen (AIS) und Vessel Monitoring Systemen (VMS). Daten aus diesen und weiteren Quellen werden miteinander verknüpft, um Mithilfe von künstlicher Intelligenz und Maschine Learning Anomalien zu identifizieren. Solche Anomalien sind zum Beispiel, wenn ein Schiff plötzlich seine Positionssignale deaktiviert oder über Stunden hinweg in einem eigentlich geschützten Gebiet verweilt.

Welche Daten analysiert OceanMind?

Automatic Identification System (AIS):
Positions- und Bewegungsdaten, die Schiffe freiwillig senden.

Satellitenbilder:
Radar- und optische Aufnahmen, die Schiffe auch ohne aktive Signale orten.

Vessel Monitoring System (VMS):
Von Behörden genutzte Ortungsdaten lizenzierter Fischereischiffe zur Regelüberwachung.

Human Intelligence:
Beobachtungen und Hinweise von Menschen vor Ort, die ergänzend zur Technologie wertvollen Kontext liefern können.

Durch intelligentes Monitoring der Ozeane unterstützt OceanMind Regierungen, internationale Abkommen wie das PSMA, sowie auch nationale Fischerei-Regularien, gezielt umzusetzen. Die Integration verschiedenster Datenquellen liefert ein umfassendes Bild komplexer maritimer Aktivitäten. Lokale Fischerei-Behörden können darauf basierend mit wenig Aufwand die Aktivitäten verdächtiger Schiffe bewerten und bei Bedarf gezielt eingreifen.

Zum Thema digitales Monitoring von Fischerei hat RESET bereits über Global Fishing Watch berichtet. Wie OceanMind setzt auch diese Organisation auf Satelliten-, AIS- und VMS-Daten, um Aktivitäten auf den Weltmeeren sichtbar zu machen. Beide Organisationen verfolgen das Ziel, mehr Transparenz in die globale Fischerei zu bringen, allerdings mit unterschiedlichen Schwerpunkten: OceanMind arbeitet vorrangig mit Regierungen und Behörden zusammen, um IUU-Fischerei zu bekämpfen. Global Fishing Watch dagegen legt den Fokus auf die Offenlegung von Daten, arbeitet aber auch in einigen Projekten mit Regierungen zusammen. Die Livestream-Karten der Organisation sind frei zugänglich und dienen Forschenden, NGOs und politische Entscheidungsträger:innen zur Überprüfung und Iniitierung von Maßnahmen.

Technologisch kooperiert OceanMind seit Jahren mit Microsoft. Im Juli 2020 wurden die Datenbank und Datenanalyseprozesse der Organisation von der vorherigen On-Premise-Lösung auf die Microsoft Azure Cloud migriert. Hierdurch können größere Datenmengen in Echtzeit noch präziser analysiert werden. Täglich werden mehr als 30 Millionen Datenpunkte erfasst. Im Vergleich zur vorherigen On-Premise-Lösung entspricht dies einer Verdreifachung der Informationsdichte. Datenbasierte Echtzeit-Risikobewertungen ermöglichen inzwischen Warnmeldungen für die gesamte weltweite Fischereiflotte.

Von ONEinFIVE zu ZEROinFIVE

Aus einem von fünf Fischen, die aktuell illegal gefangen werden, sollen in den nächsten fünf Jahren null werden. Das ist das Ziel der „ZEROinFIVE“-Initiative, die OceanMind am 11. Juni 2025 angekündigt hat. „Durch ZEROinFIVE können wir Länder mit den Instrumenten und Schulungen ausstatten, um das PSMA vom Papier in die Praxis umzusetzen und die Wege zu unterbrechen, über die illegale Fänge zu den Verbrauchern weltweit gelangen“, sagt Nick Wise, CEO von OceanMind.
Dass dies durch intensive Zusammenarbeit und gezielte Unterstützung von Regierungen funktioniert, zeigt das Beispiel Thailand. Zwischen 2015 und 2020 arbeitete OceanMind eng mit den thailändischen Behörden zusammen, um das PSMA umzusetzen. Hierzu wurde ein KI-gestütztes Risikobewertungstool entwickelt, das Hafenbeamt:innen bei der Überprüfung von Schiffsaktivitäten hilft und datenbasierte Einfuhrentscheidungen ermöglicht.

Dieser Ansatz soll nun ausgeweitet werden, um nach und nach mehr Staaten die effektive Umsetzung des Abkommens zu ermöglichen. In den Jahren 2025 und 2026 sind die Philippinen und Kambodscha an der Reihe, wie OceanMind kürzlich im Rahmen der United Nations Ocean Conference verkündete. „Wir haben bewiesen, dass dieser Ansatz in den Regionen, in denen wir mit Behörden zusammengearbeitet haben, funktioniert“, sagt Nick Wise. „Jetzt brauchen wir philanthropische Partner, kooperative Regierungen und Behörden, die uns bei der raschen Ausweitung helfen. Mit erweiterter Unterstützung können wir erreichen, was einst unmöglich schien: keine illegalen Importe von Fischen innerhalb von fünf Jahren. Der Ozean kann nicht warten – aber gemeinsam müssen wir das auch nicht.“

Diese drei Schritte braucht es laut OceanMind, um illegale Fischerei zu bekämpfen

1. Monitoring der Schiffsaktivitäten:
Datenbasierte Prüfung von Route, Fanghistorie und Flaggenstatus

2. Aufdecken verdächtiger Aktivitäten:
Identifikation von Anomalien und IUU-Fischerei durch KI-gestützte Analysen

3. Verweigerung des Hafenzugangs:
Lokale Blockade von Schiffen mit illegaler Ladung

Technologie – Freund und Feind zugleich

Die Tatsache, dass die Arbeit von OceanMind auf Daten baut, bringt auch Herausforderungen mit sich. So stellen nicht alle Länder bereitwillig AIS-Daten zur Verfügung. China hat beispielsweise den Zugriff darauf stark eingeschränkt. Durch Lücken in der Satellitenabdeckung können gebietsweise auch Satellitendaten fehlen.

Zudem agieren nicht nur OceanMind, sondern auch die Gegenspieler:innen smart. Automatische Schiffsidentifikationssysteme (AIS), eine der wichtigsten Datenquellen im Vorgehen gegen IUU-Fischerei, werden teils bewusst deaktiviert oder manipuliert, um illegale Fischerei zu verschleiern. Eine Studie aus dem Jahr 2022 zeigt, dass in etwa 6 Prozent der Schiffsaktivitäten das AIS manipuliert wurde. Schiffe, die ohne aktives AIS operieren, werden als „Dark Ships“ oder „Ghost Ships“ bezeichnet, da sie schwer zu lokalisieren sind.

Des weiteren wirft das Monitoring der Ozeane ethische Fragen und Bedenken beim Datenschutz auf, insbesondere auch dadurch, dass Microsoft invovliert ist. Daher benötigt es klare Regularien, welche Daten über Schiffe und ihre Besatzung gesammelt werden. Die ständige Weiterentwicklung von Algorithmen muss darüber hinaus sicherstellen, dass Maßnahmen sich auf im Verhalten auffällige, mit hoher Wahrscheinlichkeit illegal operierende Schiffe beschränken – zum Schutz von rechtmäßig agierenden Schiffen und deren Crew.

Die Zukunft im Kampf gegen die illegale Fischerei liegt in der Zusammenarbeit

Trotz vielversprechender technologischer Möglichkeiten bleibt die Bekämpfung illegaler Fischerei eine anspruchsvolle Aufgabe. „Nur wenn wir wissen, was auf dem Meer geschieht, können wir es auch sinnvoll regulieren – und den Ozeanen die Chance geben, sich zu erholen“, sagt OceanMind-CEO Nick Wise.

Doch für ein globales ZEROinFIVE braucht es eine koordinierte Zusammenarbeit von Regierungen, Umweltschutzorganisationen, lokalen Behörden – und nicht zuletzt auch uns Verbraucher:innen. Denn der Schutz der Meere ist ein globales Gemeinschaftsprojekt. Auch wer beim Einkauf etwas genauer hinschaut, kann dazu beitragen, unsere Ozeane besser zu schützen.

Nachhaltig Fisch essen, Symbolbild

Was wir beim Fischkauf beachten können

1. Auf Nachhaltigkeitssiegel achten, wie
– MSC (Wildfang)
– ASC (Zuchtfisch)

2. Einkaufsratgeber nutzen
– WWF-Fischratgeber (auch als App)
– Good Fish Guide

3. Regionale Produkte mit klarer Herkunft bevorzugen.

4. Nach der Fangmethode und -region erkundigen (im Handel oder Restaurant).

5. Qualität vor Quantität – lieber seltener, dafür verantwortungsvoll konsumieren.

Bild: G.C./ Pixabay

Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Alexandra Rauscher. Sie hat Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Digital Business studiert. Seit 2020 arbeitet sie in einer Digitalisierungsberatung und schreibt über digitale Innovationen, die den Klimaschutz unterstützen. 

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