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Das Müllschlucker Eiland

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15 Okt, 2024

This post was originally published on Good Impact

Die dänische Ostseeinsel Bornholm möchte bis 2032 abfallfrei werden und träumt von einer Kreislaufwirtschaft. Ihr Weg: einfach mal anfangen.

Der Traum vom Kreislauf steckt in einem kleinen, grauen Container. Darin drei Fässer: Essensreste, Abwasser von der Gemeinde, Abwasser von der Bierbrauerei um die Ecke. Dann begibt sich alles auf eine kleine Reise: Über lange, blaue Rohre wandern die Essensreste in einen Tank voller Bakterien, die den organischen Brei in zwei, drei Tagen in Biogas verwandeln. An der nächsten Station wird das Biogas zum Putztrupp: Es streicht an den feinen Filtern vorbei, die das Abwasser von Gemeinde und Brauerei reinigen und hält so die Poren der Filter offen. Das saubere Wasser könnte aufs Neue für Bierproduktion, Duschen und Spülwasser genutzt werden. Fertig ist der Kreislauf.

Theoretisch. Praktisch hakt es noch an allerlei technischen Details, an denen Wissenschaftler:innen im EU-Forschungsprojekt Abwasseraufbereitung in einem Wäldchen vor dem Küstenort Svaneke auf Bornholm tüfteln. „Wir suchen nach Lösungen für die Aufbereitung unterschiedlicher Sorten von Abwasser und arbeiten dafür mit Expert:innen in Griechenland, Spanien und Österreich zusammen, die ähnliche Projekte mit Kosmetikfirmen und Schlachtbetrieben etwa erproben“, sagt Paulo Silva vom kommunalen Abwasserversorgungsunternehmen BEOF. Vielleicht lässt sich das Abwasser mal so reinigen, dass Ackerflächen damit bewässert werden können. Vielleicht gelingt es in der Anlage sogar Erdgas und LPG herzustellen – Energie, die Brauerei und Betriebe der Region nutzen könnten. Noch ist es ein kleines Projekt, es könnte mal etwas Großes daraus werden, hoffen die Bornholmer:innen.

Es ist ein früher Dienstagmorgen im Spätsommer. Sonneninsel nennen die Menschen auf Bornholm ihr dänisches Eiland, ein seidig grüner Klecks Erde irgendwo im Blau der Ostsee zwischen Schweden und Rügen. Gleich hinter dem Wäldchen schlängeln sich Straßen durch Wiesen mit kleinen, bunten Häusern, auf den Feldern liegen Strohballen wie dahingekegelt, Kühe und Pferde zupfen schläfrig ihr Frühstück und wohin man auch schaut glitzert am Horizont die Sonne im Meer.

40.000 Menschen leben hier, knapp 700.000 Tourist:innen sind jedes Jahr zu Gast, die meisten landen per Schiff im Fährhafen der Hauptstadt Rønne auf der Westseite. Zwar gilt die Insel als Tourismushotspot, doch das bringt nur etwa zehn Prozent der Wirtschaftsleistung. Der Rest kommt von mittelständischen Unternehmen und Landwirtschaft. Alle miteinander produzieren jährlich 80.000 Tonnen Müll. Er wird, wie fast überall in Dänemark, verbrannt oder auf einer Deponie entsorgt.

Aber damit ist bald Schluss. Bornholm will die erste No-Waste-Insel Europas werden. Wie das?

Noch hängt über dem Gelände der Bornholmer Abfallbetriebe BOFA jener Geruch, den der Wegwerfbrei einer Wachstumsgesellschaft schnell in großem Stil produziert. In der Betonhalle neben dem 75 Meter hohen Schornstein gräbt sich ein stählerner Greifarm tief in den Müll, hebt ihn in den haushohen blauen Heizkessel. Bei durchschnittlich 1.050 Grad wird verbrannt, 51 Tonnen pro Tag. Die Hitze erwärmt Wasser für Heizungen, Bäder und Küchen der Bornholmer:innen. Allerdings werden beim Verbrennen CO2-Emissionen und Schadstoffe freigesetzt. 2032 hat die Anlage ihr Lebensende erreicht, sie müsste ersetzt werden. „Genau das machen wir nicht“, sagt BOFA-Chef Jens Hjul-Nielsen. „Wir schalten sie einfach ab.“

Felder, Himmel, Höfe, Weite (li.), Jens Hjul-Nielsen, Direktor der BOFA (re.), Foto: Anja Dilk

Hjul-Nielsen ist ein großer, kräftiger Mann mit festem Händedruck, schnellen Sätzen und einer fast kindlichen Lust an neuen Gedanken. Als er 2018 die Leitung der BOFA übernahm, hatte er es schon lange satt. Denn Bornholm ist ebenso arm wie schön. Die Krise des Fischfangs in den 1980ern führte zu wirtschaftlichem Niedergang, Arbeitslosigkeit, Abwanderung. Bis heute liegt das Einkommen der Insulaner:innen zwanzig Prozent unter dem dänischen Durchschnitt. Immer, wenn sie sich an die Zentrale in Kopenhagen wandten, hatten sie einen Strauß von Problemen im Gepäck: „Entschuldigung, wir haben Schwierigkeiten. Verzeihung, wir brauchen mehr Geld.“ Hjul-Nielsen sagte sich: „Wie wäre es, wenn wir von einer Probleminsel zu einer Lösungsinsel würden? Einem Vorbild, von dem ganz Dänemark lernen kann, vielleicht ganz Europa?“

Ein Wochenende lang hat sich Hjul-Nielsen mit einer Handvoll Kolleg:innen und Expert:innen in einem Kopenhagener Hotel eingesperrt und eine Strategie entwickelt. Kein technokratischer Firlefanz mit Recyclingquoten für Plastik, Biomüll oder Holz, keine Trennung von Haus- und Industriemüll, sondern ein für alle verständliches Ziel: bis 2032 alles recyclen oder wiederverwenden. Hat Kontakte zur Aalborg-Universität im Norden Dänemarks geknüpft: Beratet uns, wie können wir es schaffen? Hat die Politik auf Bornholm ins Boot geholt: Lasst uns das zusammen durchziehen.

No-Waste + klimaneutral = perfekter Mix

Denn passte sein Konzept nicht hervorragend zur neuen dänischen Gesetzgebung, die Verbrennungen ohnehin runterfahren will und erste Mülltrennung vorschreibt, um das nationale Emissionsziel von minus 50 Prozent bis 2050 zu erreichen? Fügte sich die Vision der müllfreien Insel nicht optimal in das Programm Bright Green Island, das Bornholm bereits 2008 beschlossen hat? Die Insel will klimaneutral werden, setzt auf ökologische Landwirtschaft, Energie aus Biogas, Solar und Wind. Bereits jetzt wird der größte Teil von Strom und Wärme aus Erneuerbaren gewonnen. Geht 2029 tatsächlich die neue Offshore-Windanlage an den Start, wäre genug Power da, um die Energie aus der Müllverbrennung zu ersetzen. Auch zusätzliche Biogasanlagen könnten auf der Insel leicht mehr Fernwärme liefern. Wäre also die Vision der No-Waste-Insel nicht die optimale Ergänzung? 2018 gab das Gemeindeparlament einstimmig das Go.

Die Sonne knallt auf die Südseite des BOFA-Geländes. Hier gedeiht die Zukunft, das Recyclingcenter, die erste Säule der BOFA-Vision. Vierzig Container sind zu Gassen aufgereiht, für jede Müllkategorie ein Container. Bornholmer:innen rollen mit vollgepackten Autos auf den Hof, entladen und sortieren ihren Abfall in die vierzig Schlünde. Da gibt es Styropor und Backsteine, Fischernetze und Toiletten, Fensterrahmen und Dichtungen, Hartplastik und Weichkunststoff.

Die Idee: Je genauer der Müll getrennt ist, desto leichter lässt er sich wiederaufbereiten. Jedes Jahr soll mindestens eine Kategorie dazukommen. Die Sortierung im Recyclingcenter ist freiwillig, zu Hause wird sie künftig erwartet.

Zwischen den Containern steht schon ein Muster zum Anschauen: ein Trio neuer Mülleimer, blau, grün, braun, mit mehrfach geteilten Kammern. Mitte nächster Woche werden solche Trios an alle Haushalte der Insel ausgeliefert – die Bornholmer:innen müssen ab dann auch zu Hause kleinteilig trennen. In zwölf Kategorien von Biomüll über Lebensmittelverpackungen, Tetrapaks, Batterien, Dämmmaterialien, Metall, Kleinelektro bis zu Kleidung. Die BOFA sammelt die Kategorien nach einem genauen Zeitplan ein, informiert wird per App, wer eine Sonderabholung für Sperrmüll braucht, kann sich eintragen.

Einen guten Kilometer vom Recyclinghof entfernt sitzt David Christensen in einem verwinkelten Dachgeschoss. Er hat Umweltmanagent an der Aalborg-Universität studiert, jetzt leitet er die No-Waste-Abteilung. Sie ist so etwas wie der Maschinenraum der BOFA-Vision. Mit seinem achtköpfigen Team schaut er sich um: Was können wir auf der Insel selbst wiederverwerten? Baumaterialien etwa werden zerkleinert und als Füllmaterial für Fundamente von Neubauten ver- wendet. Circa sechzig Prozent des Abfalls wandern hier in die Aufbereitung, die restlichen vierzig müssen verschickt werden. Und wo in Europa, vor allem in Skandinavien und im Ostseeraum, gibt es Recyclingcompanys, die den Müll verarbeiten, den wir nicht aufbereiten können?

Denn Bornholm ist zu klein, um alle Abfälle selbst zu recyceln. Es fehlen nicht nur Technik und Know-how, es hapert auch an der kritischen Masse, der schlichten Menge, damit sich das Recyceln wirtschaftlich bewerkstelligen lässt. „Also brauchen wir Partner:innen“, sagt Christensen. Wenn irgend möglich, wandern die Abfälle nach Dänemark, dann braucht es keine aufwendigen Exportgenehmigungen. Reifengummi etwa geht nach Jütland, Kunststoff zu DanBørs nach Søborg. „Wir schauen permanent: Wo kommt die Recyclingtechnik voran, welcher Müll hat einen Marktwert – unser Konzept muss sich ja auch rechnen.“

„Wir schauen permanent: Wo kommt die Recyclingtechnik voran, welcher Müll hat welchen Marktwert?”
– Daniel Christensen, Leiter der No-Waste-Abteilung

Der Pioniergeist der Insel zieht Forschende aus aller Welt an. Gerne empfängt Hjul-Nielsen Presse. Journalist:innen von Kanada bis Hongkong waren schon da, National Geographic und BBC haben berichtet. Das öffentliche Klappern gehört zur Strategie: Bornholm will Spielwiese für Experimente werden. Unternehmen wie Nestlé und BASF bekunden Interesse, Wissenschaftsprojekte sind gestartet wie die Wasseraufbereitung bei Svaneke. Das neueste EU-Forschungsprojekt sucht nach Lösungen für die Wiederverwertung von schadstoffbelasteten Holzabfällen. Wie ließen sie sich technisch reinigen, was könnten Unternehmen daraus herstellen? Komponenten für den Bootsbau etwa? Das wird gerade mit einem dänischen Bootsbauer ergründet. Andere Experimente laufen auf lokaler Basis. Das Keramikhandwerk, berühmt für seine traditionelle Kunst, probiert in Kooperation mit der örtlichen Kunsthandwerksschule recycelten Ton aus.

Auch Rückschläge gehören dazu. Lange war die Biogasanlage zwischen den Feldern vor Aakirkeby eine große Hoffnung. Alle organischen Abfälle der Insel, vom Biomüll der Haushalte bis zu den Abfällen aus der Fleischproduktion, sollten hier zum Treibstoff für Heizenergie und Strom werden. Aber die Essensabfälle waren zu stark mit Mikrorückständen von Plastikverpackungen und anderem Müll versetzt, Investitionen in eine Vorreinigung hätten die Kosten verdoppelt. Christensen: „2022 haben wir das Projekt gestoppt, jetzt werden 38 Tonnen die Woche per Schiff in eine Biogasanlage bei Kopenhagen geschickt, die solche Vorreinigungsstufen hat.“

Müllkrake auf Kurs zum Verbrenner (li.), Insel Idylle Bornholm (re.), Foto: Anja Dilk

Ein ähnlicher Flop war das Pilotprojekt zur Aufbereitung kompostierbarer Windeln auf Pflanzenbasis eines französischen Herstellers. Der Kompost hätte als Dünger für die Landwirtschaft dienen sollen. Doch auch hier hakte es an Verunreinigungen. Jetzt streckt die BOFA ihre Fühler zu einer Kopenhagener Gemeinde aus, die andere Formen des Windelrecyclings testet. Christensens: „Wir navigieren uns vorwärts, um herauszufinden, was funktioniert.”

Gemeinsam statt allein rumwurschteln

Henning Wilts, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, durchforstet für den Europäischen Bericht Kreislaufwirtschaft den Kontinent nach Best-Practice-Beispielen. „Die Konsequenz, mit der Bornholm nach Lösungen zur Wiederverwertung sucht und sich ein glasklares Ziel gesetzt hat, habe ich nirgends sonst in Europa gesehen. Auch wenn es durchaus Gemeinden gibt, die keine eigene Müllverbrennung mehr haben und stark auf Recycling setzen, zum Beispiel Kiel oder Luxemburg“, so Wilts. „Und es ist bemerkenswert, dass in Bornholm alle in Politik und Verwaltung an einem Strang ziehen.“ Sonst wurschteln Abfallverantwortliche meist allein vor sich hin. Wenn es eine No-Waste-Strategie gibt, weiß der Rest der Behörde oft gar nichts davon. Verfahren und Ordnungsrecht sind dann kaum auf die Entsorgungskonzepte abgestimmt. „Aber nur dann ist der Prozess effizient.“

Inzwischen werden gut 70 Prozent der 80.000 Tonnen Müll im Jahr recycelt, 25 Prozent wandern noch in die Verbrennung, die letzten 5 Prozent landen auf der düsteren Seite des BOFA-Geländes – der Deponie. Skelette alter Schiffe voller Asbest, Holz getränkt mit Gift, Bauschutt mit Schadstoffen, Verbundmaterialien, die nicht mehr voneinander zu trennen sind. Was hier liegt, darf in der Anlage nicht verbrannt werden, zu toxisch ist der Müll. „Es bleibt nichts anderes, als die Hoffnung auf technologische Durchbrüche“, sagt BOFA-Chef Hjul-Nielsen.

Die zweite Säule von Hjul-Nielsens No-Waste-Vision allerdings haben die Bornholmer:innen selbst im Griff: Wiederverwenden und Abfall vermeiden. Marian Lundhs Lager liegt versteckt an der Rückseite eines Eckhauses, wo die Hauptstraße zum Zentrum von Aakirkeby einen scharfen Knick macht. Drei Stufen hoch, die Tür steht offen. Lundh, beiges Blümchen-T-Shirt, blonder Pferdeschwanz, hat zwei Handys in der Hand. Eines mit Facebook, eines mit der lokalen Verkaufsplattform AAIF, vor ihr ein Tischgrill, zack Foto, zack geht der Grill online. Lundh hebt den Blick. „Willkommen im Paradies. Setz dich, ich steh lieber.“ Das lokale Handy piept. „Na guck, schon ist der Grill weg.“

Lundh ist Doppel-Unternehmerin, ein Hotel, ein Hostel, und ehrenamtliche Vorständin des Aakirkeby-Sportverbandes. Seit fünf Jahren leeren sie und ihre vier Mitstreiterinnen, allesamt Firmen-Chefinnen, jeden Morgen den Zwölf-Quadratmeter-Container suf dem BOFA-Recyclinghof, in den die Bornholmer:innen stellen wollen, was noch gut ist, aber sie nicht mehr haben wollen. Auf den ersten Blick ist das Lager ein wildes Meer aus Dingen, auf den zweiten eine wohlsortierte Amtsstube: Vasen, Bücher, Spiele, Stehlampen, Bilderrahmen, Glasschalen, Kaffeemaschinen, Sitzmöbel, allesamt in Gruppen geordnet wie in einem Kaufhaus. Käufer:innen können ihr Schnäppchen in Lundhs Hostel Rosengarten abholen. „Das bringt gut 20.000 Euro Einnahmen im Jahr“, sagt Lundh. „Die Leute sind viel offener für Gebrauchtes geworden.“ Und alle haben etwas davon: Der Ertrag fließt in den Sportverein im Ort, eine Institution in der Gemeinde.

David Christensen, Leiter No-Waste-Programm der Abfallbetriebe BOFA (li.), Re-Use-Initiative des Sportverbandes in Aakirkeby (re.), Foto: Anja Dilk

Überall fördern Projekte auf der Insel diesen Mind-Shift. Mehr als 13.000 Mitglieder – fast ein Drittel der Einwohner:innen – hat die Bornholmer Re-Use-Plattform „Letzter Halt vor BOFA“ auf Facebook. In vielen Dörfern sind Sharingstationen für Fahrräder oder für Werkzeug entstanden. Im nächsten Jahr soll es „Living Labs“ in Supermärkten geben, auch die dänische Handelskette Coop macht mit: Rønnes größter Supermarkt wird für eine Testphase zum „Kreislaufsupermarkt“, in dem verschiedene wiederverwendbare Verpackungen erprobt werden, zum Beispiel für Gemüse.

Was funktioniert gut, was nutzen die Verbraucher:innen nicht? Gerade verhandelt die BOFA mit einem lokalen Milcherzeuger: Könnte er Milchautomaten in einem Supermarkt aufstellen, aus dem sich die Kund:innen selbst die Milch zapfen? Eine Schule für benachteiligte Jugendliche repariert und verkauft Waschmaschinen vom Recyclinghof. Die Bierbrauerei Svaneke überlässt ihre Malzreste der Bäckerei zum Backen.

Jacob Trøst freut es, wenn Companys mit anpacken. Der Bürgermeister wirkt wie ein gemütlicher, wachsamer Mann, der einiges aushält. Er grüßt in seinem Büro, wenige Schritte von David Christensens No-Waste-Abteilung entfernt, und seufzt ein wenig, während er einen Kaffee serviert. Er weiß: Ohne Unternehmen und Bevölkerung auf den Müllfrei-Kurs der Insel mitzunehmen geht nichts. Der Zusammenhalt und die Naturliebe auf der Insel seien eine solide Basis. Letztlich aber zähle auch das Finanzielle. Und das neue Abfallprogramm kostet. Die Gebühren sind seit 2018 um 50 Prozent gestiegen, auf 700 Euro im Jahr. Für manche hier ein ganz schöner Batzen.

Aber an allen Ecken fehlt das Geld in Bornholm

Jeden Tag ringt Trøst um die Verteilung des öffentlichen Geldes. Zumal Bornholm ja auch CO2-neutral werden will. Die neuen E-Busse, die nun die Verbrenner ersetzen sollen, kosten doppelt so viel wie Diesel-Busse. „Was wir an der einen Ecke ausgeben, fehlt an der anderen“, sagt Trøst. „Warum bekommen wir nicht mehr nationale Fördermittel?” Kein Wunder, dass nicht alle Bürger:innen Fan der Verwaltungsstrategie sind. Nach einer aktuellen BOFA-Umfrage sprechen sich zwar nur neun Prozent dagegen aus. Aber wie aussagekräftig ist sie? Also setzt Trøst auf Kommunikation. Lädt zu Anhörungen und Inforunden, offline und online. Mal kommen hundert Menschen, mal dreißig. „Wir erreichen nie alle damit.“

Bei allem Aufbruch und Pioniergeist – von einer echten Kreislaufwirtschaft ist Bornholm noch entfernt. Weichen für Wiederverwenden und Recyceln sind gestellt. Aber, gibt Wilts vom Wuppertal Institut zu Bedenken: „Recycling ist nicht immer die beste Lösung. Mit sogenannten Lebenszyklus-Analysen muss man die ökologische Bilanz in jedem Einzelfall überprüfen.“ Wie viel Energie muss für Transport und Recyclingprozess aufgewendet werden, kommt sie aus erneuerbaren Quellen, was lässt sich aus dem recycelten Material machen? Künftig müsse es darum gehen: Welche Materialien wollen wir überhaupt noch im Supermarktregal haben? Was könnte man mit Mehrweglösungen hinbekommen? Viele Abfälle auf dem Festland recyceln zu lassen, ist langfristig nicht optimal. Wilts: „Und dessen sind sich die Bornholmer:innensicher bewusst.“

Natürlich kennt No-Waste-Chef Christensen die Widersprüche. „Aber wir müssen realistisch sein. Der erste Schritt zur Kreislaufwirtschaft ist für uns ein immer feinmaschigeres Recycling, viel Re-Use und Müllvermeidung – und die Erprobung neuer Projekte“, so Christensen. „Wir müssen auf allen Ebenen gleichzeitig arbeiten.“ Gerade diskutiert die Abteilung: Wie können wir die Gesamtmenge an Müll effizienter beschränken? Wie irgendwann mal den Kreislauf schaffen, der, natürlich, mit kreislauffähigem Produktdesign beginnen muss? Christensen: „Aber so weit sind wir noch nicht.“ Umso wichtiger ist das Bildungsprogramm für Grundschulen. Regelmäßig lädt die BOFA Schüler:innen zu Fortbildungen in ihren „Müll Turm“ und informiert über Materialverbrauch und die Wichtigkeit von Müllvermeidung.

Letztlich kann eine Insel den Wandel nicht allein stemmen. Kreislaufforscher Wilts plädiert für europäische Regelungen. Digitale Produktpässe zum Beispiel, die Hersteller verpflichten, genau aufzuführen, welche Materialen in einem Produkt stecken, damit es leichter recycelt werden kann. Für Batterien ist das ab 2026 bereits Pflicht. Oder Regelungen, die kreislauffähige Geschäftsmodelle für Hersteller wirtschaftlich machen. „Sie könnten leichter Kredite oder Fördermittel bekommen“, so Wilts. „Umgekehrt sollten Unternehmen festgelegte Strafen zahlen müssen, wenn ihre Produkte nicht zu 100 Prozent recycelbar sind, wie in Frankreich.“ Und warum nicht, langfristig, einen maximalen Ressourcenverbrauch pro Kopf und Jahr politisch ins Visier nehmen?

„Unternehmen sollten festgelegte Strafen zahlen müssen, wenn ihre Produkte nicht zu 100 Prozent recycelbar sind, wie in Frankreich.”
– Henning Wilts, Wuppertal Institut

BOFA-Chef-Hjul-Nielsen muss los. Links neben seinem Büro brummt der Verbrenner, rechts wuseln Bornholmer:innen über den Recyclinghof. Hju-Nielsen sagt: „Wir können nicht auf andere warten.”

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