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Mit einem geliehenen Zelt, einem hastig gepackten Rucksack und meinem Wochenendvorrat an Chips, Snackriegeln, Crackern und ein paar Vitaminen in Form von Trockenobst habe ich mich im Sommer 2024 auf den Weg von meiner Wohnung zum Bahnhof Berlin Südkreuz gemacht. Ich war auf dem Weg zum Melt Festival in der Ferropolis bei Gräfenhainichen in Sachsen-Anhalt. Eine S-Bahn, einen Regionalzug, eine weitere S-Bahn und einen Shuttlebus später kam ich auf dem Festivalgelände an.
Später am Abend habe ich dann Hatim von dieser Reise erzählt. Hatim war Teil des Teams von Crowd Impact, das auf dem Melt Festival die Anreisemöglichkeiten der Besucher:innen untersuchte. Er zeichnete meine Antworten auf seinem iPad auf, bevor er mir die Klimaauswirkungen meiner Reise zeigte. Ausgehend von der Annahme, dass ich nach dem Festival die gleichen Fortbewegungsmittel für meine Heimreise verwenden würde, würde meine Hin- und Rückfahrt insgesamt 278 Kilometer betragen und rund 16,7 Kilo CO2 ausstoßen.
Diese Daten sind nicht nur für mich interessant. Melt verwendet alle von Crowd Impact gesammelten Daten zur Berechnung der gesamten CO2-Emissionen des Festivals. Bei Veranstaltungen ist die Anreise der Teilnehmer:innen meistens die mit Abstand größte Klimabelastung. Die genaue Zahl ist nicht ganz unumstritten, liegt aber laut einem Bericht von A Greener Future bei 41 Prozent aller CO2-Emissionen. Die detaillierten Daten von Crowd Impact sollen den Organisator:innen von Festivals helfen, ihre Besucher:innen zu einer klimafreundlicheren Anreise zu motivieren. Die von Crowd Impact gesammelten Daten sind auch Teil des größeren Forschungsprojekts „ECO2CONCERT“, in dem Festivalveranstalter:innen und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten, um sowohl die Mobilität als auch die Energieemissionen von Festivals zu analysieren.
Screenshot von Crowd Impact
Aufgrund schlechter Erreichbarkeit und fehlender Festivalsupermärkte reisen viele mit dem Auto an
Nachdem ich meine Umfrage mit Hatim abgeschlossen hatte, traf ich mich mit der Mitbegründerin von Crowd Impact, Laura Kleber, um mehr über ihre Arbeit zu erfahren. Sie berichtete mir, dass der Start schwierig war: Ein Gewitter am Morgen hatte die Durchführung der Umfrage verhindert. Dabei wollen sie einen möglichst großen Teil der Teilnehmer:innen befragen. „10 Prozent sind Gold, also wirklich, wirklich gut“, sagte Kleber. „Aber mein Traum ist es heute, auf acht Prozent zu kommen.“ Sie sagt aber auch, dass alles über fünf Prozent schon einen brauchbaren Datensatz ergibt, der wertvolle Erkenntnisse liefert.
Ich habe Kleber auch gefragt, was Menschen davon abhält, nachhaltige Transportmittel zu wählen. „Es ist viel bequemer, mit dem Auto zu fahren“, erklärte sie, „weil die Leute so viel Zeug zu transportieren haben. Vor allem, wenn es auf dem Festivalgelände keinen Supermarkt gibt, weil sie auf dem Festival billiges Bier trinken wollen [und das nicht mit dem Zug transportieren wollen].“ Sie wies auch darauf hin, dass „die Infrastruktur wirklich mangelhaft ist, vor allem in ländlichen Gebieten.“ Zu vielen Festivals gibt es keine guten öffentlichen Verkehrsverbindungen, und wenn die Leute selbst aus ländlichen Gebieten kommen, bleibt ihnen nur die Wahl, das Auto zu nehmen.“
Die Menschen reisten von nah und fern an, um zum Melt zu kommen
Was mir vor dem Gespräch mit anderen Besucher:innen auf dem Melt nicht klar war, war, wie weit die Leute für das Festival anreisen. Als fester Bestandteil der internationalen Techno-Szene – die nach 27 Jahren nun zu Ende gegangen ist – zog das Melt Menschen von überall her an, von Irland bis Israel. Julian Vogels, Mitbegründer von Crowd Impact, erzählte mir, dass er eine Gruppe von 13 Personen befragt hatte, die aus Sydney angereist waren, um zum Melt zu kommen. Später am Abend hörte ich ein Stimmengewirr mit australischen Akzenten und drehte mich schnell um, um die Gruppe zu fragen, ob es sich um dieselben Personen handelte, die Vogels befragt hatte. Sie schienen verwirrt von meiner Frage, ob sie eine bestimmte Gruppe von Australiern seien. „Mate, there’s so many Aussies here!“, bellte einer von ihnen. „Probably 10 percent of the festival.“ Ich würde empfehlen, diese Statistik mit Vorsicht zu genießen. Aber so oder so, bei so einer weiten Anreise kommen verdammt viele CO2-Emissionen zusammen für ein bisschen Techno.
Ein weiterer Irrglaube meinerseits war, dass meine Zugfahrt von Berlin nach Melt die nachhaltigste Art der Anreise war. Aber Vogels erklärte mir, dass der Bassliner, ein Shuttlebus, der Menschen von den Berliner Hauptbahnhöfen direkt zum Festivalgelände bringt, weniger CO2 ausstößt als die Kombination aus Zügen, die ich genommen habe. „Ein Teil der Regionalzüge fährt noch mit Diesel“, gab er zu bedenken. Die S-Bahn hält und fährt auch häufig und verbraucht jedes Mal CO2. Währenddessen ist in der Regel jeder Sitzplatz im Bassliner besetzt (ich kann das bestätigen, da sie alle ausverkauft waren, als ich am Freitag Morgen optimistisch versuchte, ein Ticket zu buchen). Obwohl der Motor größer ist als der eines Autos, wird der verwendete Diesel auf etwa fünfzig Personen aufgeteilt.
Crowd Impact hat zahlreiche Lösungen, um Anreize für nachhaltiges Reisen zu schaffen
Sobald Crowd Impact einem Festival Daten zu seinen CO2-Emissionen zur Verfügung gestellt hat, kann es diese nutzen, um Maßnahmen zu ergreifen, die die Menschen dazu anregen, nachhaltiger zu reisen. Wie Kleber erklärte, ist es ein Kinderspiel, einen Festival-Supermarkt zu installieren. Wenn die Daten zeigen, dass viele Menschen von einem Ort anreisen, kann das Festival außerdem in Erwägung ziehen, einen Shuttlebus von dort zum Festivalgelände anzubieten (auch wenn ein Shuttlebus für unsere Freunde aus Down Under natürlich kaum eine Lösung darstellt). Und das Angebot reduzierter Parkgebühren für volle Autos könnte einen Anreiz bieten, sich zusammen zu tun und nach Mitfahrgelegenheiten zu suchen.
Aktuell ist das über Facebook- oder Telegram-Gruppen möglich. Kleber weist aber darauf hin, dass eine auf Veranstaltungen ausgerichtete Mitfahrplattform den Zugang enorm erleichtern würde.
Crowd Impact gibt auf seiner Webseite diese und weitere Vorschläge für klimafreundliche Anreisen. Außerdem plant das Unternehmen, in seiner App Festivalveranstalter:innen automatisierte Vorschläge auf der Grundlage der gesammelten Daten Empfehlungen zu geben.
Für Kleber ist klar, dass Kommunikation eine wirklich große Rolle dabei spielt, zu nachhaltigem Reisen zu motivieren. Crowd Impact fand heraus, dass Menschen, die über nachhaltiges Reisen informiert wurden, 19 Prozent weniger Emissionen verursachten als diejenigen, die nicht darüber informiert wurden. In Zusammenarbeit mit The Changency führte Crowd Impact das Forschungsprojekt „Ticket To Ride“ durch, bei dem 10 Konzerte einer deutschen Band analysiert wurden. Die Untersuchung ergab, dass sich der Aufruf der Band, nachhaltig zum Konzert anzureisen, stark auf die Reduzierung der CO2-Emissionen der Fans auswirkte. Kleber betont jedoch: „Bei einer Band ist das einfacher als bei einem Festival, weil die Menschen eine noch engere emotionale Bindung zu ihnen haben.“ Unabhängig davon würden klare Informationen über Nachhaltigkeitsmaßnahmen in der gesamten Festival-Kommunikation den Teilnehmenden sicherlich dabei helfen, klimafreundlichere Entscheidungen zu treffen.
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Crowd Impact wird Festivals weiterhin bei der Reduzierung von CO2-Emissionen unterstützen
Neben der Fokussierung auf die An- und Abreise der Besucher:innen sollten Festivals auch in anderen Bereichen der Festivalorganisation nachhaltige Initiativen ausbauen. DGTL in Amsterdam beispielsweise geht mit seinem pflanzlichen, abfallfreien Food Court mit gutem Beispiel voran, während Green Gathering in Großbritannien zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie betrieben wird.
Was Crowd Impact betrifft, so werden die Daten, die sie für ECO2CONCERT auf dem Melt gesammelt haben, dem Forschungsprojekt helfen, seinem Ziel näherzukommen. Letztlich soll eine Plattform für Festivals geschaffen werden, die ihnen dabei hilft, ihre CO2-Emissionen und ihren Energieverbrauch zu verbessern. In der Zwischenzeit wird ihre App weiterhin überall dort auftauchen, wo sich Menschenmengen aufhalten, und so weiter Daten generieren und Aufmerksamkeit für klimafreundliche Anreisen schaffen.
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