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Im Januar 2021 veröffentlichte der New Scientist ein Artikel über vielversprechende und erstaunlich einfache Batterien, die aus Kochsalz hergestellt werden. Die sogenannten Natrium-Ionen-Batterien werden in dem Artikel als wirtschaftliche und nachhaltige Alternative zu ressourcenintensiven Lithium-Ionen-Batterien angekündigt. Anfänglich hatte die Technologie noch Mängel, wie zum Beispiel eine deutlich geringere Energiedichte. Doch inzwischen sind weltweit Natrium-Ionen-„Gigafabriken“ entstanden, von Indien bis North Carolina. Wie kam es dazu, was hat sich geändert?
Natrium ist zurück
Dr. John Abou-Rjeily entwickelt seit Jahren Natrium-Ionen-Batterien für Tiamat Energy. Sein Hauptantrieb: Die Abhängigkeit von Lithium zu verringern. Natrium, das Hauptelement in gewöhnlichem Speisesalz, ist eine reichlich vorhandene, sicherere und weitaus günstigere Alternative zu Kobalt, Nickel und Lithium, das Lithium-Ionen-Batterien benötigt wird. Gleichzeitig teilt Natrium viele Eigenschaften mit Lithium, da sie zur gleichen Alkalimetallfamilie gehören.
Diese Ähnlichkeiten veranlasste Forschende in den 1970er Jahren dazu, die ersten Studien zu Natriumbatterien durchzuführen. Etwa zur gleichen Zeit fanden ähnliche Studien zu Lithiumbatterien statt. Doch während Lithiumbatterien aufgrund ihrer besseren Energiespeicherfähigkeiten zu einem großen kommerziellen Erfolg wurden, blieben Natriumbatterien weitgehend auf der Strecke.
Die Energiespeicher aus Salz könnten jedoch ein Comeback erleben, denn die negative PR der letzten Jahren rund um Lithium hat zu weiteren Forschungen und Investitionen in Natriumbatterien angeregt. Abou-Rjeily beispielsweise leitete kürzlich das EU-finanzierte NAIMA-Projekt (2019–2023), das Institutionen aus ganz Europa zusammenbrachte, um die Natrium-Ionen-Batterietechnologie voranzutreiben. Doch dies ist nur eine von vielen Bemühungen, die das Ziel Europas unterstützen, im Rahmen der Energiewende eine nachhaltige Batterieversorgungskette aufzubauen.
Das Problem mit Lithium
Lithium-Ionen-Batterien dominieren den heutigen Energiespeichermarkt und versorgen alles mit Strom – von Smartphones bis hin zu Elektrofahrzeugen (EVs). Bevorzugt werden sie vor allem wegen ihres geringen Gewichts und ihrer hohen Energiespeicherkapazität. Ihre Herstellung hat jedoch viele Nachteile.
Die Lithiumgewinnung ist äußerst invasiv und schädigt bekanntermaßen Ökosysteme, erschöpft Süßwasserressourcen und stört das Leben der lokalen Bevölkerung. Da sich die Lithiumreserven auf wenige Regionen konzentrieren, sind die Lieferketten oft anfällig für geopolitische Spannungen und andere Probleme. Die Preisvolatilität trägt zu einer weiteren Komplexitätsebene bei, da die Lithiumkosten in den letzten Jahren stark schwanken. Dies macht zum Beispiel auch die Produktion von Elektrofahrzeugen kompliziert und oft teuer.
Natrium-Ionen: Ein laufendes Projekt
Natrium-Ionen-Batterien hinken in ihrer Leistung seit jeher hinter Lithium-Ionen-Batterien her. Wie im Artikel des New Scientist aus dem Jahr 2021 berichtet wird, speichern sie zwischen 5 und 15 Prozent weniger Energie pro Gewichtseinheit. Dadurch eignen sie sich weniger für Anwendungen in Elektrofahrzeuge, bei denen Gewicht und Reichweite entscheidend sind. Daher stellt auch Rob Armstrong vom Fachbereich Chemie der Universität St. Andrews wenig begeistert fest: „Dieses Material ist nicht fantastisch. Es ist ein gutes Mittelmaß.“
Schrittweise Verbesserungen und Innovationen in der Natrium-Ionen-Technologie beginnen jedoch, die Wahrnehmung zu verändern.
Eine Nischenrolle in der Mobilität
Zum einen finden sich Nischenanwendungen für Natrium-Ionen-Batterien. Auch wenn ihre geringere Energiedichte ihre Reichweite einschränkt, könnten sie zu einer kostengünstigen Option für die städtische Mobilität werden. Chinesische Hersteller entwickeln zum Beispiel mehrere Elektrofahrzeuge, die auf Natrium-Ionen-Batterien mit Reichweiten unter 300 Kilometern setzen.
Zum anderen haben Natrium-Ionen-Batterien auch ihre Vorteile. Dazu gehört ein sichererer Transport im ungeladenen Zustand und sie funktionieren besser in kalten Klimazonen. So hat CATL kürzlich eine Natrium-Ionen-Batterie vorgestellt, die bei -40 °C betrieben werden kann.
Die Zukunft der Natrium-Ionen-Batterien
Das französische Unternehmen Tiamat plant, bis 2026 eine Gigafabrik in Amiens in Frankreich zu eröffnen. Dort sollen Natrium-Ionen-Batterien ohne Lithium, Kobalt und Kupfer hergestellt werden. Das steht im Einklang mit dem Bestreben Europas, die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu verringern. Abou-Rjeily betont, dass diese Batterien für Anwendungen wie Elektrowerkzeuge und Fahrzeuge mit kurzer bis mittlerer Reichweite wettbewerbsfähiger sein könnten.
Rund 90 Prozent der Natrium-Ionen-Batteriefabriken befinden sich derzeit in China, wobei große Akteure wie CATL und BYD die Führung übernehmen. Auch in Indien sind bemerkenswerte Entwicklungen zu verzeichnen. Dort baut Reliance Industries eine Gigafactory zur Herstellung von Natrium-Ionen-Batterien mit der Technologie des britischen Startups Faradion. In den USA plant Natron Energy unterdessen, seine Natriumbatterieproduktion mit einer neuen Anlage in North Carolina erheblich zu steigern.
Die Internationale Energieagentur (IEA) prognostiziert, dass Natrium-Ionen-Batterien bis 2030 rund 10 Prozent aller Energiespeicher ausmachen werden. Dies steht im Einklang mit den globalen Klimazielen, die Energiespeicherkapazität bis zum selben Jahr zu versechsfachen. Lithium-Ionen-Batterien werden sie wahrscheinlich nicht vollständig ersetzen können. Aber großes Potenzial haben sie vor allem in den Bereichen, in denen das Gewicht keine Rolle spielt. Insbesondere in stationären Batteriespeicherkraftwerken für Wind- und Solarenergie könnten sie eine wichtige Rolle spielen.
Um die globalen Klimaziele zu erreichen, ist eine exponentielle Zunahme der Energiespeicherung unversichtbar. Zudem ist davon auszugehen, dass die geopolitischen Spannungen anhalten. Natrium-Ionen-Technologie sind in diesem Zusammenhang eine skalierbare und nachhaltige Alternative zu Lithium. Die rasante Entwicklung von Gigafabriken weltweit in nur wenigen Jahren signalisiert das wachsende Vertrauen in das Potenzial von Natrium. Imre Gyuk vom US-Energieministerium drückt es so aus: „Ich bin zuversichtlich, dass Natrium-Ionen-Batterien ihren Markt finden werden, wenn Lithium knapp wird.“
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