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Mit Ihrem Start-up MedyaN, auf Türkisch „Deine Medien“, wollen Sie eine digitale Plattform bauen, eine Art deutsch-türkisches Arte. Warum?
Nalan Sipar: Fragen Sie VW, warum es Elektroautos baut? Nein, denn es liegt auf der Hand: Es gibt einen riesigen Bedarf. 40 Prozent der Menschen unter 20 in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Die größte Gruppe, knapp 12 Prozent, hat laut Bundeszentrale für politische Bildung türkische Wurzeln. Doch ihre Perspektive kommt in den meisten Medien überhaupt nicht vor oder nur am Rande. Das ist irre.
Woran fehlt es konkret?
An regelmäßiger Berichterstattung über die Herkunftsländer. Wann ist denn die Türkei zum Beispiel schon Thema, außer kurz nach einem Erdbeben oder einer Wahl? Wie oft wird vom Alltag, von der Lage im Land berichtet, aktuell und aus unterschiedlichen Blickwinkeln? Genauso wenig werden Themen in Deutschland behandelt, die für die türkische Community wichtig sind: Wie benachteiligen die Algorithmen Menschen mit türkischem Namen bei der Wohnungssuche, wo habe ich mit Kopftuch Chancen auf dem Arbeitsmarkt, was können wir tun gegen den Rassismus in Schulen und Kitas? Auch zweisprachige Angebote fehlen völlig.
Woran liegt das?
In deutschen Medien fehlt es an Vielfalt. Nach Angaben der Organisation Neue deutsche Medienmacher*innen haben nur fünf Prozent der Journalist:innen selbst einen Migrationshintergrund. Es gibt zu viele strukturelle Hürden, von unbezahlten Praktika über mangelnde Kontakte bis hin zu Redakteur:innen, die Menschen einstellen, die so sind wie sie selbst. Natürlich gibt es auch deutsche, „weiße“ Kolleg:innen, die migrantische Themen vorschlagen. Aber oft wird in den Redaktionen abgewunken: Rassismus in den Kitas? Sicher, wichtig, aber das interessiert unsere Kernzielgruppe nicht so sehr. Ich habe das beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) selbst erlebt. Dabei gibt es seit 17 Jahren einen Vertrag, in dem sich der ÖRR zu mehr Diversität verpflichtet. Es hakt am Willen, das umzusetzen und auch zu finanzieren. Also mache ich es selbst.
Schon während der Pandemie haben Sie Corona-News auf Türkisch gemacht …
… wo kann ich mich informieren, wie kann ich mich schützen, genau. Inzwischen gibt es mehr. In „Der Tag in 60 Sekunden“ fasse ich die wichtigsten tagesaktuellenNachrichten mit dpa-Material auf Türkisch zusammen, in „Du schaffst das nicht?“ rede ich auf YouTube mit Menschen, die erzählen, wie sie trotz Vorurteilen und strukturellen Barrieren – schlechteren Bildungschancen etwa – den beruflichen Aufstieg in Deutschland geschafft haben. Ich bin mit 15 mit meiner Familie aus Istanbul nach Bielefeld gekommen, in der Schule haben die anderen über mein Deutsch gelacht, auch die Lehrerin. Lange dachte ich, dass ich als Person falsch bin. Erst langsam wurde mir klar: Die anderen sehen etwas in mir, das ich nicht bin, sie haben bestimmte Vorstellung von Menschen wie mir im Kopf. Solche Mechanismen möchte ich sichtbar machen. Meine Beiträge bekommen mehr als zwei Millionen Klicks.
Ende 2023 ist MedyaN gestartet …
… drei Sendungen gibt es schon: „Nalan Sipar“ ist ein deutsch-türkischer Polit-Talk an einer Kreuzberger Straßenkreuzung zu Themen wie „Warum wählen Deutsch-Türken die AfD?“. Die Sendungen sind auch mit KI-generierter Synchronstimme zu haben, auf Arabisch zum Beispiel, die werden total viel geklickt. Ansonsten musste ich erst mal lernen, wie man ein Start-up aufbaut. Monatelang bin ich fast jeden Abend zu Veranstaltungen gegangen, habe ein Netzwerk geknüpft, Online-Seminare in Businessplan-Schreiben belegt, mich um Förderungen beworben. Oft wurde ich nicht ernst genommen. Der erste Preis für die beste Start-up-Idee beim Deutschen Journalistenverband hat dann den Kick gegeben. Jetzt bin ich an der Graduate School for Business in Stanford und entwickle das finanzielle Geschäftsmodell und das journalistische Format.
Wie soll Ihr deutsch-türkisches Arte dann aussehen?
Ich mache es wie Apple: Ich setze auf wenige, aber hervorragende Produkte. Ab Herbst 2025 geht es los: mit einer ganz besonderen Show. Mehr verrate ich nicht.
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