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Als ich 2024 nach Mexiko reiste, habe ich mich Wochen in der heißen Sonne geaalt. Aber als ich mich mit Einheimischen über den endlosen blauen Himmel unterhielt, erfuhr ich, dass sie um Regen beteten. Mexiko litt unter der schlimmsten Dürre seit 2011. Außerdem war 2024 das zweitwärmste, wenn nicht wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen in Lateinamerika und der Karibik.
Unterdessen boomt der Bau von Rechenzentren in ganz Lateinamerika. Bis 2029 wird eine Verdopplung des Marktes erwartet. Diese Rechenzentren werden von Unternehmen wie Google, Amazon und Microsoft gebaut, um die Datenströme zu verarbeiten, die unser digitales Leben antreiben. Mit der rasanten Verbreitung von KI-Anwendungen steigt die Nachfrage nach Rechenzentren zudem noch weiter an.
Dass Rechenzentren große Mengen Strom benötigen, ist mittlerweile den meisten bekannt. Dazu kommt aber noch ein großer Wasserfußabdruck. Dies gilt umso mehr für KI-Rechenzentren. Weil die leistungsstarken Server, die diese Prozesse ausführen, schnell überhitzen, benötigen Rechenzentren Wasser, um sie zu kühlen.
„Rechenzentren werden den Hauptanteil an den CO2-Emissionen der Digitalisierung haben.“ Ralph Hintemann (Borderstep Institute) im Interview
Rechenzentren sind für einen hohen Energieverbrauch verantwortlich und der Hype um KI lässt diesen rasant in die Höhe schnellen. Das ist klar. Dazu kommen noch weitere ökologische Herausforderungen, die weit weniger bekannt sind. Darum geht es in diesem Interview mit Ralph Hintemann, Gesellschafter und Senior Researcher am Borderstep Institut. Und wir werfen einen Blick darauf, was getan werden muss.
Laut verschiedenen Schätzungen könnte der jährliche Wasserverbrauch von KI bis 2027 dem gesamten Wasserverbrauch Dänemarks oder der Hälfte des jährlichen Wasserverbrauchs Großbritanniens entsprechen. Ein Rechenzentrum verbraucht täglich so viel Wasser wie eine Stadt mit 10.000 bis 50.000 Einwohnern.
Gleichzeitig liegt der weltweite Bedarf an Süßwasser bis 2030 voraussichtlich um 40 Prozent über dem Angebot. Da unser digitaler Bedarf immer größere Teile der globalen Wasservorräte verschlingt, droht unserem Planeten buchstäblich der Tod durch Verdursten.
„KI weniger durstig machen”
Eine Studie der University of Colorado Riverside und der University of Texas Arlington aus dem Jahr 2023 zeigt, dass das Training von ChatGPT-3 bis zu 700.000 Liter Frischwasser erfordert – eine Information, die Microsoft unter Verschluss gehalten hat. Der Wasserverbrauch generativer KI ist besonders hoch. Zur vollständigen Studie.
Der versteckte Wasserverbrauch von Rechenzentren
Über den hohen Energieverbrauch von Rechenzentren wurde in den letzten Jahren viel berichtet. Und als Antwort haben die großen Tech-Unternehmen nur allzu gerne verkündet, wenn sie ihre Effizienz verbessert oder ihre CO2-Emissionen reduziert haben. Doch dabei scheint es sich vor allem um Greenwashing gehandelt zu haben. Der Ersatz von elektrischen Ventilatoren durch Wasser-Kühlsysteme mag zwar die CO2-Emissionen reduzieren, verlagert aber die Belastung von Strom auf Wasser.
Laut Pablo Gámez Cersosimo, einem auf Technologie und Biodiversität spezialisierten Forscher, „könnte der Wasser-Fußabdruck der Digitalisierung größer und problematischer sein als ihr CO2-Fußabdruck“. Aber 49 Prozent der Rechenzentren erfassen ihren Wasserverbrauch nicht. Daher wissen wir zwar, dass wir es mit einem riesigen Problem zu tun haben, das konkrete Ausmaß kennen wir jedoch nicht.
Wie sieht eine grüne digitale Zukunft aus?
Elektroschrott, CO2-Emissionen durch KI, Wasserverbrauch von Rechenzentren – aktuell scheint die ungezügelte Digitalisierung nicht mit einem gesunden Planeten vereinbar. Doch es gibt viele Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung – wir haben sie recherchiert:
Der Teufelskreis des Rechenzentrumsbaus
Viele große Technologieunternehmen präsentieren den Bau von Rechenzentren in Lateinamerika als wirtschaftliche Chance für die Region. Doch in der Realität laufen Rechenzentren nach ihrer Errichtung nahezu autonom und kurbeln die Wirtschaft nicht so an, wie es sich die Regierungen erhoffen. Stattdessen verringern sie die Trinkwasservorräte in Ländern, die zunehmend von Dürren betroffen sind. Die fertigen Rechenzentren verursachen Emissionen, die zum Klimawandel beitragen und zu weiteren Dürren führen – ein Teufelskreis.
Aber warum verbrauchen Rechenzentren Trinkwasser, anstatt Wasser zu verwenden, das die Bürger:innen ohnehin nicht trinken würden? Es ist alles eine Frage der Kosten.
Verunreinigtes Wasser muss vor der Verwendung gereinigt werden, damit es die Kühlsysteme nicht korrodiert – frisches Trinkwasser ist daher die günstigere Alternative. Microsoft hat zwar Pläne angekündigt, ab 2026 Wasser in Rechenzentren wiederzuverwenden. Doch dafür wird mehr Energie benötigt, um das Wasser nach dem Durchlaufen des Systems wieder abzukühlen.
Beim Bau von Rechenzentren wiederholen sich koloniale Muster
Vor allem unser digitales Leben in Nordamerika und Europa erhöht die Nachfrage nach Rechenzentren. Die Auswirkungen des Baus von Rechenzentren sind jedoch am stärksten im globalen Süden zu spüren. Durch die Aneignung dieser Ressourcen spielt sich der moderne Kolonialismus im digitalen Bereich ab.
In Uruguay kämpften Aktivisten 2004 für das Recht auf frisches Trinkwasser. Jetzt nutzen sie diese Gesetzgebung, um gegen den Bau des neuesten Rechenzentrums von Google vorzugehen, das schätzungsweise zwei Millionen Gallonen Wasser pro Tag verbrauchen wird. Unterdessen leidet Uruguay unter der schlimmsten Dürre seit 70 Jahren. Mit den Worten von Daniel Peña, Forscher an der Universität der Republik in Montevideo: „[Das Rechenzentrum von Google] wird Uruguay praktisch nichts nutzen und gleichzeitig eine Reihe schwerwiegender ökologischer und sozialer Probleme mit sich bringen.“
Big Tech baut weiterhin Rechenzentren in von Dürre betroffenen Gebieten
Eine Untersuchung der gemeinnützigen Organisation Source Material und der Zeitung The Guardian aus dem Jahr 2025 ergab, dass Google, Amazon und Microsoft ihre Rechenzentren in Gebieten mit Wasserknappheit um insgesamt 63 Prozent ausbauen werden.
Erneuerbare Energien und strengere Gesetze könnten das Blatt wenden
Gibt es eine Möglichkeit, die Auswirkungen von Rechenzentren auf Mensch und Umwelt zu verringern? Eine Lösungen, um ihren großen Durst zu mildern, ist die Kühlung von Rechenzentren mit Strom aus Sonnenkollektoren and anderen alternativen Kühlsystemen. Und natürlich macht es Sinn, Rechenzentren bevorzugt in kühleren Ländern zu bauen, die weniger unter Dürren leiden, wie beispielsweise Schweden. Da jedoch Grundstücke für Rechenzentren in Lateinamerika billig sind, ist es unwahrscheinlich, dass die großen Tech-Unternehmen in naher Zukunft Menschen und Umwelt vor Profit stellen werden. Hier müssen Regierungen eingreifen.
Dazu kommen technische Lösungen. Neue Codezeilen, die dem Linux-Betriebssystem hinzugefügt wurden, haben das Potenzial, die Emissionen der Server – und damit auch ihren Stromverbrauch und Kühlungsbedarf – um fünf Prozent zu reduzieren. Zudem zeigen neue Forschungen zu photonischen integrierten Schaltkreisen deren Potenzial in Rechenzentren. Sie können dafür sorgen, dass weniger Abwärme entsteht und sich damit die Belastung der Kühlsysteme verringert.
Ein positiver Schritt nach vorne ist, dass die EU kürzlich eine Gesetzgebung eingeführt hat, die Rechenzentren zur Meldung ihres Strom- und Wasserverbrauchs verpflichtet. Expert:innen fordern die Einführung ähnlicher Gesetze weltweit, damit sich unser Wissen um den Wasserfußabdruck erhöht. Das wiederum kann umfassende Maßnahmen besser legitimieren.

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers „Digital und grün – Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung“, in dessen Rahmen wir Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung vorstellen. Wir danken der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die Projektförderung!
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