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Versteckte „Appgase“: So viel Strom verbrauchen Tracker und Werbung in unseren Handy-Apps

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04 Juni, 2025

This post was originally published on Reset

Die Apps auf unseren Smartphones verbrauchen im Durchschnitt etwa 11,4 Megabyte an Daten pro Minute. Da Handyverträge inzwischen aber mit immer höheren Datenvolumen angeboten werden und wir immer häufiger kostenfreie WLAN-Netzwerke finden, stört das die meisten Nutzer:innen kaum. Während wir allerdings sorglos durch Wetter-Apps, Mobile Games und sonstige Anwendungen swipen, setzt jeder Megabyte und jede Handy-App Emissionen frei. Denn Datenverkehr bedeutet Energieverbrauch und den Betrieb von Servern, die gekühlt und produziert werden müssen.


Im Rahmen des Projekts „Mobilsicher“ hat das Institut für Technik und Journalismus herausfinden können, dass allein für den Energieverbrauch unserer Apps ein mittelgroßes Atomkraftwerk etwa eine Stunde am Tag laufen müsste. Da der aktuelle Strommix aber natürlich nicht nur aus Atomstrom oder erneuerbaren Energien besteht, tragen unsere installierten Handy-Apps durchaus zu unserem digitalen CO2-Fußabdruck bei. Wer umweltbewusst leben möchte, der kann den Datenhunger seiner Smartphone-Apps jedoch einschränken. Erst einmal sollten wir dafür aber verstehen, wie diese Daten und Emissionen überhaupt entstehen.

Vom Handy in die Athmosphäre – wie entstehen unsere „Appgase“ überhaupt?

Die meisten Anwendungen auf unseren Smartphones präsentieren uns aktuelle Informationen, Daten und Inhalte aus dem Internet. Wetter-Apps verbinden sich nicht mehr mit einer Wetterstation auf dem Dach, sie greifen aktuelle Wetterdaten von Servern ab. Handyspiele erlauben es uns, gegen anderen Spieler:innen anzutreten und müssen deren Spielzüge und Highscores von Servern beziehen. Und Musik, Filme, Serien und Fotos finden ebenfalls aus der Cloud oder von Streaming-Servern ihren Weg auf unsere Geräte.

Tipp: Der „Priva-Score“ für besonders datenschutzfreundliche Apps

Der IT-Sicherheitsexperte Dr. Felix Sühlmann-Faul stellt auf einer Homepage Apps zusammen, die besonders datenschutzfreundlich sind. Da diese Anwendungen auch weniger Tracker und Werbung enthalten, sind sie tendenziell auch energiesparsamer als Apps mit ähnlichen oder gleichen Funktionen.

Der „Priva-Score“ umfasst aktuell Kategorien von Messenger-Apps bis hin zu Dating-Apps. Das Angebot ist kostenfrei im Internet verfügbar!

Diese Informationen und Inhalte, um die es in den Anwendungen ja hauptsächlich geht, machen im Durchschnitt etwa 77 Prozent des Datenverkehrs unserer Smartphone-Apps aus. Knapp 23 Prozent der übetragenen Daten dienen allerdings der dem Tracking von Nutzungsdaten, der Anzeige von Werbung und weiteren Analysen. Das ergab eine Studie, die das Institut für Technik und Journalismus mithilfe eines Testverfahrens für Smartphones mit Android-Betriebssystem durchgeführt hat. Die folgenden Ergebnisse umfassen also ausschließlich Android-Apps – die meisten Anwendungen gibt es allerdings auch für Apples iPhones.

„Unsere Untersuchung ist eigentlich vom Thema Datenschutz her gewachsen“, erklärt Miriam Ruhenstroth vom Institut für Technik und Journalismus uns im Gespräch. „Ursprünglich wollten wir gucken, wohin Apps genau funken. Denn viele Hersteller wissen gar nicht, was die Apps machen weil sie ein Ökosystem nutzen, das viele nicht unbedingt kennen.“ Hierzu erklärte Miriam Ruhenstroth, dass die meisten Handy-Apps aus verschiedenen Bausteinen zusammengesetzt sind. Und diese würden von Programierer:innen zwar genutzt werden, einen genauen Einblick wie diese funktionieren, hätten sie aber meist nicht.

Energiemessung über Hacking-Methoden

„Darüber sind wir dann darauf gekommen, zu schauen, wie hoch der Energieverbrauch von Apps ist.“ Miriam Ruhenstroth und ihr Team verwendeten hierfür eine Studie des Umweltbundesamtes, die „zum ersten Mal ein belastbares Modell bietet, um zu berechnen, was im Übertragungsnetz passiert und was es kostet.“ Kurz gesagt: Dank dieser Studie konnten die Forschenden nachvollziehen, wie hoch der Energieaufwand im Datenverkehr vom Handy zu den jeweiligen Servern ist, die die jeweiligen Apps „anfunken“.

Die Analysen mussten hierfür möglichst realitätsnah sein, erklärt Miriam Ruhenstroth weiterhin: „Wir haben Apps auf echten Geräten oder Emulatoren installiert. Diese wurden dann einen bestimmten Zeitraum lang richtig benutzt und die angefallenen Daten über ein Machine-in-the-Middle-Verfahren erhoben.“ Neben der Menge der Daten konnte das Team dabei auch nachverfolgen, an welche Adressen diese im Detail übertragen werden. Und das war laut Miriam Ruhenstroth der Schlüssel, um eine genaue Analyse verschiedener Apps zu ermöglichen.

Denn die Zuordnung des Datenverkehrs erlaubte es letztendlich auch, zu prüfen, welche Daten für den eigentlichen Betrieb der Anwendung benötigt wurden und wie viele Daten für Werbezwecke, das Tracking oder die Analyse aufgewendet werden mussten. In der Studie, die zuletzt im Jahr 2024 aktualisiert wurde, wird das als „Overhead“ zusammengefasst und somit als „Datenverkehr, [ … ] der für die eigentliche Funktion der App nicht notwendig wäre“.

Lohnt sich das Datensparen bei Apps überhaupt?

Die Menge an benötigten Daten sowie der Anteil an Werbe- und Analysedaten schwankt je nach Art der Anwendung stark. In der Studie unterscheidet das Team von Mobilsicher zwischen Katgorien wie „Streaming“, „Shopping“, „Spiele“ oder auch „Information“ und „Wetter“. Während bei Nachrichten-Apps nur wenige Daten übertragen werden, ist der Datenverbrauch bei Streaming-Anbietern wie Netflix oder Amazon Prime naturgemäß deutlich höher. Denn hochauflösende Videos sind von Natur aus größer als Texte, in denen ein paar Bilder eingebunden werden.

So erklärt es sich auch, dass der prozentuale Anteil an Werbe- und Analysedaten bei Informations-Apps mit 76 Prozent deutlich höher ist als bei Streaming-Apps. Hier macht der „Ovearhead“ lediglich 4 Prozent aus, da der benötigte Datenverkehr selbst deutlich höher ist. Und dennoch ist es auffällig, dass Informations-Apps wie Nachrichten-Apps oder digitale Zeitungen aufgrund der Verwendung von Trackern und Werbeeinblendungen nahezu so viel Datenverkehr verursachen wie Spiele-Apps. Miriam Ruhenstroth und ihr Team begründen das unter anderem mit der Art, wie die Apps Einnahmen generieren. So heißt es in der Studie:

„Die meisten Handy-Apps in den aus diesen Kategorien [Anm. d. Redaktion: Information, Gesundheit und Wetter] finanzieren sich durch Werbeeinahmen – der hohe Anteil an entsprechenden Drittanbietern ist daher nicht überraschend. Erstaunlich niedrig ist der Anteil der Kategorie „Spiele“, die ja ebenfalls oft kostenlos sind. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass Spieleanbieter häufiger Einnahmen aus In-App-Käufen generieren.“

Green-Coding ist als Trend verloren gegangen

Dass Hersteller Apps über Werbung und Tracking kostenfrei anbieten können, sei dabei laut Miriam Ruhenstroth aber keineswegs das Hauptproblem. „Das darf man nicht gleichsetzen – Apps, die viele Tracker haben, verursachen nicht unbedingt viel Datenvolumen.“ Zwar sei es nicht ganz nachvollziehbar, warum manche Apps mehr und manche weniger Datenvolumen benötigen, Miriam Ruhenstroth vermutet allerdings, dass die Programmierung einen Teil dazu beiträgt. „Gerade Spieleanbieter haben ihre Apps früher auf ein geringes Datenvolumen optimiert, da dieses damals noch teurer war. Jetzt, wo immer mehr Menschen Flatrates nutzen, ist die Optimierung auf ein geringes Datenvolumen fast komplett verschwunden.“ Hier, so Miriam Ruhenstroth weiterhin, sehen wir Rebound-Effekte, die sich durch eigentlich sparsamere Technologien wie 5G oder durch günstigere Mobilfunkverträge erklären lassen.

Auch wenn es Schwankungen darin gibt, wofür Apps Daten übertragen, stellt die Studie eine Sache ganz deutlich heraus: „Datenschutz ist Klimaschutz“ und aktuell ist der überflüssige Stromverbrauch beliebter Apps zu hoch. Die Anwendung „Mein Talking Tom“, ein Mobile Game mit etwa einer Milliarde Downloads im Google Play Store, würde einen Stromverbrauch von fast 103 Megawattstunden aufweisen, wenn sie jede/r Nutzer:in nur eine Minute lang verwenden würde.

Das ist laut Studienergebnissen genügend Energie, um mit einem Elektroauto 12 Mal um den Äquator zu fahren. Die obige Grafik zeigt dabei, wie beträchtlich der Anteil an Werbung und Tracking bei dieser App ist.

Wie können wir unseren App-Datenverbrauch senken?

Miriam Ruhenstroth betonte im Gespräch auch, dass ihre Studie vergleichsweise konservative Ergebnisse lieferte. Heißt: Andere Studien mit anderer methodischer Vorgehensweise seien auf höhere Ergebnisse gekommen. Wir sollten Apps als Stromfresser also durchaus ernst nehmen. Denn sie verbrauchen nicht nur die Energie, die unsere Smartphones ohnehin schon aus der Steckdose ziehen. Und Miriam Ruhenstroth zufolge werden sie zukünftig noch einmal deutlich mehr Energie benötigen, da immer mehr Hersteller KI-Funktionen integrieren.

Verbraucher:innen können allerdings selbst aktiv werden, um den Energieverbrauch ihrer Smartphone-Apps gering zu halten. „Google Maps, YouTube, Spotify und Co. bieten Offline-Modi, durch die man Downloads über Mobilfunknetze vermeiden kann. Bei datenintensiven Anwendungen kann man Inhalte also in guten Netzen herunterladen.“

Renumesh router

5G, WLAN, 3G – was sind „gute Netze“?

Der Energieaufwand von übertragenen Daten hängt beim Smartphone stark vom genutzten Netzwerk ab. Ganz grundsätzlich kannst du dir dabei die Regel merken: Nutzt du ein WLAN-Netzwerk, verwendest du meist das stromsparendste Netz. Denn auch wenn etwa DSL-Verbindungen mehr Energie benötigen als Glasfaser, nutzen diese Technologien noch immer weniger Strom als das Mobilfunknetz.

Im Mobilfunknetz gilt der neue Mobilfunkstandard 5G als besonders stromsparend. Das liegt unter anderem daran, dass Mobilfunkmasten über sogenanntes Beamforming gezielt bestimmte Geräte ansteuern können. 5G ist dabei etwa dreimal stromsparender als LTE – und LTE ist wiederum etwa dreimal stromsparender als das alte UMTS-Netz.

Über die App-Auswahl kann man ebenfalls einiges machen“, erklärt Miriam Ruhenstroth weiterhin. „Für viele Funktionen gibt es Offline-Apps und Apps ohne Werbung – leider gibt es aber in App-Stores keine Funktionen, um diese zuverlässig zu finden.“

Neben der App-Auswahl bieten mobile Betriebssysteme verschiedene Funktionen, um das mobile Datenvolumen klein zu halten. Diese sind eigentlich dafür gedacht, um nicht über das monatliche Kontingent des genutzten Handyvertrages zu kommen – sie eignen sich aber auch zum Stromsparen.

Apples iPhone-Betriebssystem iOS erlaubt es etwa, die mobilen Daten gezielt für installierte Anwendungen zu sperren. Ein enstprechendes Menü findet sich in den iOS-Einstellungen in der Kategorie „Mobile Daten“. Für Android-Handys ist es ein wenig schwieriger, allgemeingültige Anleitungen zu geben. Denn die meisten Hersteller nutzen angepasste Android-Versionen, die gerade in Bezug auf Systemeinstellungen unterschiedliche Möglihckeiten bieten. Wer ein Android-Handy nutzt, hat in Bezug auf Tracking und Werbung aber eine besondere Möglichkeit.

nachhaltige Digitalisierung

Wie sieht eine grüne digitale Zukunft aus?

Elektroschrott, CO2-Emissionen durch KI, Wasserverbrauch von Rechenzentren – aktuell scheint  die ungezügelte Digitalisierung nicht mit einem gesunden Planeten vereinbar. Doch es gibt viele Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung – wir haben sie recherchiert:

Google-freie Betriebssysteme kommen ganz ohne Tracker

Denn anders als Apples Betriebssystem ist Android quelloffen. Und so haben freie Entwickler:innen die Möglichkeit, alternative Betriebssysteme für Android-Handys zu entwickeln. Der Berliner Verein Topio verkauft Google-freie Smartphones, auf denen Betriebssysteme wie LineageOS oder KaiOS vorinstalliert sind. Michael Wirths von Topio verriet uns auf die Frage, wie sich die Verwendung von Trackern auf Android-Handys vermeiden ließe, zunächst folgendes:

„Eine gute Methode, um Tracking weitreichend zu unterbinden ist es, mit ein paar Klicks auf dem Smartphone die eigenen DNS-Einstellungen zu ändern.“ Hierdurch würden viele bekannte Server, darunter auch von Werbefirmen nicht mehr kontaktiert werden, was zu weniger Datenverkehr und somit auch zu einer Einsparung von Energie führt. Wer seine DNS-Einstellungen ändern möchte, der findet bei Topio eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.




Der Verein Topio bietet in einem Marktstand in der Berliner Arminius-Markthalle Handys mit Google-freien Betriebssystemen an.

Sein Handy mit einem freien Betriebssystem zu verwenden, ermögliche aber noch weitere Vorteile. So kommen diese von Natur aus mit weniger vorinstallierten Handy-Apps, was wiederum weniger Ablenkung und eine Einsparung von Datenverkehr ermögliche. Darüber hinaus bieten freie Betriebssysteme eine verlängerte Nutzbarkeit, was die Nutzung älterer Smartphones ermöglicht. Eine Liste an kompatiblen Geräten bietet unter anderem das Projekt LineageOS.

Doch auch mit Handys ohne Tracking gilt es, ratsam mit seinen mobilen Daten umzugehen. Darauf zu achten, bestimmte Daten nicht im Mobilfunknetz herunterzuladen oder etwa die Streaming-Qualität auf YouTube gering zu halten, spart besonders viele Daten ein.

dbu-logo

Dieser Artikel ist Teil des Dossiers „Digital und grün – Lösungen für eine nachhaltige Digitalisierung“, in dessen Rahmen wir Lösungen für eine ökologische und faire Digitalisierung vorstellen. Wir danken der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für die Projektförderung!

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