Ein ausführliches Interview mit Mark Irvine, Head of Content, DNV
Hallo Mark, erzählen Sie mir bitte etwas über sich und Ihre Rolle in, sowie Ihre Verbindung zu DNV
Ich arbeite in DNVs Zentrale in Olso, Norwegen, hauptsächlich als „Head of Content“. Das bedeutet vor allem, unsere führende Publikation zu produzieren und zu bearbeiten – unser jährlicher „Energy Transition Outlook“ (Ausblick der Energiewende) und die diversen Begleitberichte.
Im Jahr 2021 beinhaltet der Bericht beispielsweise Themen wie:
- Schlüsseltechnologien der Energiewende
- Die Finanzierung der Energiewende und ein Bericht zum Weg Richtung „Net Zero Emissions“ (Netto Null Emissionen)
Eine weitere führende Publikation ist unser Ausblick zu Technologien, der alle 5 Jahre veröffentlicht wird und 10 Jahre in die Zukunft blickt, auf ein breites Spektrum an Technologien.
Ich arbeite direkt für den CEO an seinen englischen Reden und Präsentationen zu einem weiten Themenfeld und ich bin ein Fachexperte in dem technisch-wirtschaftlichen Bereich des Kunststoffrecyclings. Außerdem bin ich derzeit Teil eines kleinen Teams, das an der Strategieerarbeitung von DNV für den Zeitraum bis 2025 gearbeitet hat.
Ich arbeite seit 10 bei DNV, hauptsächlich in Rollen, die mit Kommunikation verbunden sind. Davor war ich ein Manager und Strategieleiter bei der Diamond Trading Company in London – dem Verkauf und Marketing Teil der De Beers Unternehmensgruppe.
Ich bin dualer Bürger in Südafrika und Großbritannien und habe Abschlüsse in Archäologie (Universität in Cape Town) und einen MBA (Witwatersrand University/Rotterdam School of Management). Außerdem bin ich ein Mitglied des Thinktanks Medinge Group, welches auf Markenbildung mit Gewissen fokussiert ist.
Was ist DNV?
DNV ist ein globales Risikomanagement und Zusicherungs-Unternehmen, welches Zertifikation, Verifizierung, Prüfung, Inspektion und beratende Leistungen anbietet, über ein breites Spektrum von Industrien.
Konkreter gesagt, besteht die Zusicherung darin, Vertrauen in verschiedene Dinge zu steigern – dass sie so funktionieren, wie sie sollen. Vor ein paar Jahren sind wir mit Germanischer Lloyd in Hamburg fusioniert, und von 2014 an waren wir „DNV GL“. Nach einem buy-out von Minderheitsgesellschaftern ist das Unternehmen nun wieder voll im Besitz von der ursprünglichen Norwegen-basierten Stiftung, und wir haben uns dieses Jahr als nur „DNV“ umbenannt.
DNV ist vor allem bekannt als eine maritime Klassifikationsgesellschaft. Ca. ein Fünftel der weltweiten Schiffflotten, gemessen in Tonnage, ist in der „DNV Class“. Als eine Klassifizierungsgesellschaft bieten wir technisches Know-How an und Erfahrung, Industrien und Satzungsorganen zu helfen, sichere und saubere Verschiffung zu liefern. Das heißt einen Satz an Regeln zu entwickeln und beizubehalten, darüber wie Schiffe gebaut sein sollen und in Stand gehalten werden müssen. Außerdem beinhaltet es viele Vermessungsarbeiten, sowohl in Werften als auch Dienstschiffe an allen großen Häfen auf der Welt.
Mit der Zeit hat DNV das Wissen und die Leistungen auch auf andere Industrien als nur maritime ausgebreitet, beispielsweise die Energieindustrie, welche einen starken Wandel durchlebt. Folglich wandeln sich unsere eigenen Energieleistungen – wir bauen keine Leistungen in vorgelagerten Öl- und Gas-Geschäften aus, sondern konzentrieren uns stattdessen auf die Zusammenarbeit mit den weltweit führenden Energie-Akteuren, die einen schnelleren Übergang zu einem entkarbonisierten Energiesystem anstreben. DNV hat eine erhebliche Menge an Erfahrung in Antriebssystemen und erneuerbarer Energie, zum Beispiel sind wir die weltweit führende technische Beratung in Windenergie. DNV hat außerdem ein umfangreiches Management-System Zertifizierungsunternehmen, und wir bieten Zusicherungsleistungen für Lieferketten im Gesundheits- und Lebensmittelsektor an.
Wer kontrolliert DNV?
DNV gehört zu 100% der norwegischen Stiftung ‘Stiftelsen Det Norske Veritas’, dessen Zweck es ist, Leben, Eigentum und die Umwelt zu schützen. Im weiteren Sinne ist dies auch der Sinn von DNV selbst.
Alle Gewinne werden für diese Aufgabe verwendet. Unsere Organisation ist Kompetenz-basiert, und wir haben ein großes F & E Budget, das es uns erlaubt, neue, moderne Leistungen anzubieten, aber auch sicherstellt, das DNV ein Ort mit der Möglichkeit zum lebenslangen Lernen ist.
Welche Probleme versucht DNV zu lösen?
Wir leben in Zeiten vom schnellen Wandel und Transformation. Unser Ziel ist es, eine vertraute Stimme bei diesen Veränderungen zu sein – besonders in der Digitalisierung, Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit.
Unsere Vision ist es, eine vertraute Stimme bei globalen Transformationen zu sein.
Zum Beispiel im Energiesektor fallen unsere Leistungen auf das ganze Spektrum der Dekarbonisierung, einschließlich der letzten Entwicklungen wie schwimmender Offshore-Wind und Wasserstoff.
Neben der sehr detaillierten Arbeit der technologischen Qualifizierung und Beratung, möchten wir auch eine Vordenkerposition erreichen – dazu gehört eine detaillierte Prognose zu der Art, wie globale und regionale Energiesysteme sich verändern werden.
Erst gestern haben wir einen „Pathway to net zero“ (Weg zur Netto Null) Bericht veröffentlicht, und die kurze Antwort lautet: es muss noch viel getan werden. Tatsächlich braucht die Welt massives und frühes Handeln, wenn wir die 1,5-Grad Zukunft erreichen sollen.
Eine unserer Hauptbotschaften in dem Bericht ist, dass Länder mit höherem Einkommen die Netto Null vor 2050 erreichen müssen. Die Vereinigten Staaten und Europa sollten beispielsweise 2042 anstreben. Das liegt daran, dass viele Länder mit geringerem Einkommen weder die Kapazität noch den Entwicklungspfad haben, um Netto Null im Jahr 2050 zu erreichen. Es ist eine große Kraftaktion für alle, und jeder muss dazu beitragen.
In unserem Bericht beschreiben wir was wir als einen ökonomisch und politisch erreichbaren Weg zur Nello Null sehen – aber es ist ein sehr schmaler Pfad! Wir haben eine globale Sichtweise, und bauen den Bericht auf, indem wir uns zehn Weltregionen anschauen, sowie spezifische Energie Angebot und Nachfrage Sektoren. Einige Industrien sind schwieriger zu elektrifizieren, wie beispielsweise Luftfahrt. Dort muss man nach Alternativen suchen, wie Wasserstoff oder Bioenergie. Allerdings sind viele Ausgaben involviert, und oft tauchen andere Nachhaltigkeitsprobleme auf. Schwierige Entscheidungen liegen vor uns, und es gibt keinen Platz für Greenwashing. Das ist einer der Gründe, wieso es gut ist, für ein Unternehmen wie DNV zu arbeiten. Wir sind ein streng Wissenschafts-basiertes Unternehmen, das sich an Fakten hält – wir malen keine Unternehmenswände grün an.
Aufgrund unseres tiefen technischen Verständnisses, speziell der Energietechnologien, sehen wir es als unsere Pflicht an, unser Wissen zu kommunizieren – während wir die Grenzen des geschützten Wissens respektieren.
Was sehen Sie als den größten Hebel um Netto Null Emissionen zu erreichen?
Der größte Hebel ist das Potenzial der Welt, elektrisch zu werden.
Wir müssen alles elektrifizieren, was geht und gleichzeitig das Elektrizitätsnetz aufbauen und erweitern – das ist der einzig machbare Weg, unser Energiesystem kohlenstoffarm zu gestalten.
In diesem Unterfangen spielen Regierungen und Technologien eine gleichwertige Rolle.
Regierungen können Entwicklungen leiten, indem sie einen Preis auf Kohlenstoff ansetzen, Steuern für Flugbenzin erheben, oder Anreize schaffen für die Wende hin zur Elektromobilität. Netto Null zu erreichen, wird zwangsläufig strengere Politik brauchen, wie Verbote. Teilweise sind solche Maßnahmen jedoch kompliziert für Demokratien, da einige Maßnahmen unbeliebt sein können.
Gleichzeitig ist es nicht machbar, fossile Brennstoffe komplett zu ersetzen bis 2050 – ungefähr ein Fünftel des Energiemixes wird dann nach wie vor aus fossilen Brennstoffen bestehen. Daher müssen Kohlenstoffbindung und -speicherung eine Rolle spielen, trotz der Bedenken mancher Umweltschützer.
Was würden Sie sagen, was Risikomanagement und Zusicherung heutzutage besonders essenziel macht?
Eine der Charakteristiken der modernen Welt ist die Schnelligkeit der Digitalisierung, die weitaus schneller geschieht, als die meisten Personen annehmen. Das öffnet ein enormes Potenzial an Effizienz, Verbindung und Komfort. Gleichzeitig entstehen auch große Risiken.
Mit Technologien wie AI muss man in der Lage sein, den unterliegenden Algorithmen zu trauen und das kreiert ein schwieriges Thema: Wer trifft die Entscheidungen, beispielsweise beim autonomen Fahren?
Wir nehmen eine ganzheitliche Sichtweise rund um Zusicherungen von digitalen Wirtschaftsgütern an, nicht nur auf schmale (aber wichtige) Problematiken der Datenintegrität und Algorithmus-Funktionalität, sondern wir auf die Interaktion zwischen Maschinen und Menschen schauend, und den sozialen Kontext, in dem diese Vermögensgegenstände verwendet werden, und die damit verbundenen Ethiken.
Wie hat sich DNVs Mission verändert seit der Entstehung im Jahr 1864?
Unser Zweck ist über die letzten mehr als 150 Jahre gleichgeblieben, aber unsere Mission hat sich entwickelt. Mit der Zeit haben wir mehr Industrien als Verschiffung umfasst, und obwohl unser Fokus primär auf Sicherheit liegt, ist unsere Ausrichtung auf den Umwelt-Einfluss und die Konsequenzen der Industrien tiefer und breiter geworden. Wie DNV in der „Technology Outlook 2030” Veröffentlichung anmerkt, sind die nachhaltigen Entwicklungsziele, die auf planetäre Grenzen fokussiert sind – Klima, Wasser, Biodiversität – die Grundlage für alle Industrieziele und soziale Ziele.
Laut der DNV-Website will das Unternehmen bis 2025 klimapositiv werden. Was sind die wichtigsten Maßnahmen, um dieses Ziel zu erreichen?
Was das in der Praxis bedeutet, ist dass wir bis 2025 das Ziel haben, unsere Vorgänge komplett mit erneuerbarer Energie zu versorgen. Wir werden außerdem Reise-Emissionen um 50% reduzieren, verglichen mit 2019. Wir werden die verbleibenden Emissionen reduzieren, aber wir arbeiten auch mit Partnern zusammen, um Projekte der Kohlenstoffdioxid-Entfernung auszutesten. Noch haben wir keine Details zu diesen Projekten veröffentlicht.
Auf welche Weisen hilft DNV den Kunden, kohlenstofffreier zu werden?
Unser eigener CO2-Fußabdruck ist relativ unbedeutsam, also haben wir einen weitaus größeren Einfluss auf die Dekarbonisierung durch die Leistungen und Ratschläge, die wir unseren Kunden anbieten. Das beinhaltet, DNV als seine vertrauenswürdige und führende Stimme in der Dekarbonisierung zu positionieren – zum Beispiel, zu alternativen Treibstoffen in dem maritimen Sektor, sowie zu den Kosten und Risiken. Wir arbeiten mit führenden Energiekunden und helfen ihnen mit Leistungen und Ratschlägen, die sie bei ihren Ambitionen eines Wandels mit mehr emissionsarmen oder -freien Optionen unterstützen. Ich denke, dass ein Bereich, der oft unterschätzt wird, die Rolle der Energieeffizienz ist. Dabei ist das wahrscheinlich das größte Mittel für die Welt, Entwicklungen nach dem Pariser Klimaabkommen herbeizuführen. Das widerspricht nicht dem, was ich vorher von der Rolle der Elektrizität gesagt habe – Energieeffizienz und Elektrizität sind verknüpft. Unsere Leistungen für maritime Kunden zu Energieeffizienz-Verbesserungen sind beispielsweise wichtig in dem Punkt.
Wie versteht DNV Nachhaltigkeit im Öl- und Gas-Sektor? Herrscht dort Spannung zwischen Ihrer Organisation und der norwegischen Regierung – beachtend, dass das Land zu den 10 größten globalen Exporteuren von Öl und Gas zählt?
DNV ist keine politische Organisation und wir sind nicht verantwortlich für die Entscheidungen der Regierung, aber wenn wir um Rat gebeten werden, geben wir ihn. Wir wurden beispielsweise von dem norwegischen Verband der Industrie beauftragt, einen Energiewandel-Bericht für Norwegen zu verfassen. Darin schauen wir uns Norwegens genannte Dekarbonisierungsziele an, und fassen zusammen, dass das Land nicht auf dem Weg ist, diese zu erreichen. Wir umreißen, was gebraucht wird, um sie zu erfüllen. In einem separaten Bericht – dem „Pathway to net zero“ (Weg zur Netto Null) Bericht, über den ich vorher gesprochen habe – wiederholen wir die IPCC Schlussfolgerungen, dass, um eine 1.5 Grad Zukunft zu erreichen, die Welt Netto Null Emissionen bis 2050 erreichen muss. Und wir merken unter anderem an, dass für reichere Länder keine neuen Öl- und Gasfelder nach 2024 benötigt werden – und das ist etwas, was Norwegen sehr sorgfältig beachten werden muss.
Wie ist die digitale Transformation von Ihrer eigenen Organisation und anderen Unternehmen mit Nachhaltigkeit verbunden?
Die digitale Transformation ermöglicht gesteigerte Effizienz.
Bei DNV müssen wir zum Thema Digitalisierung zwei Gedanken gleichzeitig im Kopf halten: Zusicherung für die digitalen Wertgegenstände unserer Kunden, und sicherstellen, dass wir unsere eigene Digitalisierung vorantreiben, um unsere Arbeit effizient zu gestalten.
Während der Pandemie haben wir unsere entlegenen Methoden zum Testen ausgebaut, wie Kameras und sichere Video-Feeds, etc.
Darüber hinaus sind wir stark involviert mit Sensoren und deren Daten, und wenden Technologien wie Blockchain in der Zusicherung von Lieferketten an, um die Transparenz zu erhöhen. Aber das Fazit ist, dass die Digitalisierung ein Ermöglicher von Effizienz ist. Es ist ein wesentlicher Mechanismus, um die Energie-Intensität (gemessen als Einheit von Energie pro Dollar von BIP) der Welt zu reduzieren, was den Energiewandel unterstützt.
Können Sie mir den Zweck von DNV Ventures erklären, die im Jahr 2020 gegründet worden ist?
Wir haben DNV Ventures im Jahr 2020 gegründet mit dem Ziel, die nächste Generation von datenwissenschaftlichen Anwendungen und digitalisierten Leistungen zu formen. Wir sind besonders interessiert in die Anwendungen und Leistungen, die die globale Transformation weiterführen – in anderen Worten, die mit unserer Vision übereinstimmen. Wir haben eine Anzahl an Investitionen getätigt in den letzten zwei Jahren, und für mehr Details zu der Arbeit von DNV Ventures empfehle ich unsere Website. Aber ich muss hinzufügen, dass ich von meiner Perspektive aus glaube, dass „Corporate Venturing“ ein großartiger Weg ist, in unsere Organisation kritisches Wissen über Agilität, Schnelligkeit und Design-Denken zurückzuführen. Es ist auch ein Weg, um die nächste Generation zu erreichen, besonders Generation Z, die oft die „unternehmerische Generation“ genannt wird.
Generation Z ist die unternehmerische Generation, und es ist essenziel, Beziehungen mit ihr aufzubauen.
Heutzutage sind die Kosten der Firmengründung geringer und es gibt eine höhere Stufe an Verbindung, wodurch besonders jüngere Leute neue Ideen ausprobieren und auf neue Wege arbeiten können.
Wir möchten das Potenzial anzapfen und unsere eigenen Ideen beschleunigen, sowie den Ideen von anderen zuhören.
Spannendes und tiefgehendes Interview. Ich kannte DNV vorher nur vom Namen her, aber jetzt kann ich besser verstehen, wie sie arbeiten und wofür.
Vielen Dank, Emily! Und ja, es ist ziemlich interessant, was DNV tut
I really enjoyed reading the interview with Mark Irvine! DNV seems like a trustworthy organization. Who controls them though? 🤔